OFD Münster, Verfügung v. 18.2.2011, Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 2/2007
Unterhaltsleistungen können nach § 33a Abs. 1 EStG als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden, wenn die unterstützte Person gesetzlich unterhaltsberechtigt und bedürftig ist. Bei der Prüfung der Bedürftigkeit wurde gefordert, dass die unterhaltene Person zunächst ihre Arbeitskraft einzusetzen hatte (sog. Erwerbsobliegenheit).
Der BFH hat entgegen dieser Verwaltungsauffassung mit Urteil vom 18.5.2006, III R 26/05 (BStBl 2007 II S. 108) entschieden, dass bei unbeschränkt steuerpflichtigen Personen, die dem Grunde nach gesetzlich unterhaltsberechtigt sind, die sog. Erwerbsobliegenheit nicht mehr zu prüfen ist. Liegen die weiteren Voraussetzungen des § 33a Abs. 1 EStG vor, ist die Bedürftigkeit der unterstützten Person typisierend zu unterstellen. Die Regelung in R 33a.1 Abs. 1 Satz 4 EStR ist für Inlandsfälle weiter anzuwenden.
Zu beachten ist allerdings, dass das Einbringen der eigenen Arbeitsleistung nur dann nicht zu prüfen ist, wenn die unterstützte Person unbeschränkt steuerpflichtig ist (vgl. a. R 33a. 1 Abs. 2 EStR). Bei unbeschränkt steuerpflichtigen Personen wird die Abziehbarkeit der Unterhaltsaufwendungen nach Auffassung des BFH innerhalb der Höchstbeträge des § 33a Abs. 1 EStG steuerrechtlich nur begrenzt durch die Berücksichtigung von eigenem Vermögen und die Anrechnung von eigenen Einkünften und Bezügen.
Ist die unterstützte Person dagegen nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, kommt es nach wie vor darauf an, ob die Unterhaltsleistungen notwendig und angemessen sind. Bei Personen im erwerbsfähigen Alter im Ausland ist davon auszugehen, dass sie ihren Lebensunterhalt durch eigene Arbeit verdienen. Für diesen Personenkreis sind daher grundsätzlich keine Unterhaltsaufwendungen anzuerkennen (BMF-Schreiben vom 7.6.2010, BStBl 2010 I S. 582, Rz. 8). Nach Rz. 9 des o.g. BMF-Schreibens darf der Einsatz der eigenen Arbeitskraft nicht gefordert werden, wenn die unterhaltsberechtigte Person „aus gewichtigen Gründen” keiner oder nur in geringem Umfang einer Beschäftigung gegen Entgelt nachgehen kann. Als Gründe werden beispielsweise Alter, Behinderung, schlechter Gesundheitszustand, die Erziehung oder Betreuung von Kindern unter 6 Jahren, die Pflege behinderter Angehöriger, ein ernsthaft und nachhaltig betriebenes Studium oder eine Berufsausbildung genannt.
Außerdem kann bei Personen unter 65 Jahren, die bereits eine Altersrente beziehen, in der Regel nur dann auf den Einsatz der eigenen Arbeitskraft verzichtet werden, wenn die Rente auf Grund einer Krankheit oder Behinderung gezahlt wird. Zu den Nachweisvoraussetzungen vgl. Rz. 9 des BMF-Schreibens vom 7.6.2010, BStBl 2010 I S. 582.
Auch Arbeitslosigkeit im Ausland kann grundsätzlich in keinem Fall als „gewichtiger Grund” zugelassen werden. Dies gilt selbst bei einer schriftlichen Bestätigung der Arbeitslosigkeit durch die Heimatbehörde. Die Arbeitslosigkeit wird in dem BFH-Urteil vom 5.5.2010, VI R 29/09 (BStBl 2011 II S. 116) als Ausnahmetatbestand aufgeführt. Da es sich bei dieser Aussage aber nicht um einen Bestandteil des Leitsatzes handelt, ist weiterhin die Auffassung im o.g. BMF-Schreiben zu vertreten.
Besonderheiten für EU-/EWR-Raum:
Lebt die unterstützte Person im EU-/EWR-Raum, hat aus europarechtlichen Gründen die Beurteilung bisher nach den gleichen Grundsätzen wie bei Inlandssachverhalten zu erfolgen. Die Erwerbsobliegenheit ist somit hier nicht zu prüfen. Dies gilt allerdings nur noch bis einschließlich VZ 2009. Ab 2010 ist auch in diesen Fällen die Erwerbsobliegenheit zu beachten (vgl. Rz. 35 des BMF-Schreibens vom 7.6.2010, BStBl 2010 I S. 582).
Rechtsprechung:
Mit Urteilen vom 5.5.2010 (Az: VI R 29/09 und VI R 40/09) hat der BFH entschieden, bei Unterhaltszahlungen an Angehörige im Ausland sei die Bedürftigkeit im Wege der sog. konkreten Betrachtungsweise zu prüfen. Der BFH hat insoweit eine generelle Erwerbsobliegenheit grundsätzlich bestätigt. Die Urteile sind inzwischen auf der BMF-Seite bzw. im Bundessteuerblatt veröffentlicht und daher in allen offenen Fällen anzuwenden, in denen Personen im Ausland unterhalten werden. Vgl. hierzu das noch anhängige Revisionsverfahren Az: VI R 62/10.
Eine Ausnahme ist hingegen bei im Ausland lebenden Ehegatten zu beachten. Abweichend von Rz. 8 des BMF-Schreibens vom 7.6.2010, BStBl 2010 I S. 582 ist durch die Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 5.5.2010 (Az: VI R 5/09) im Bundessteuerblatt (BStBl 2011 II S. 115) weder die Bedürftigkeit noch die Erwerbsobliegenheit zu prüfen. Ist einem Ehegatten die Haushaltsführung überlassen, so erfüllt er seine Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der Familien beizutragen, i.d.R. durch die Führung des Haushalts. Der den Haushalt führende Ehegatte muss seine Arbeitskraft nur dann einsetzen, wenn die Arbeitskraft des verdienenden Ehegatten zur Deckung des Familienunterhalts nicht ausreicht.
Normenkette
EStG § 33a Abs. 1