Mit den besprochenen Größen liegt ein erster Richtwert für einen Kaufpreis vor, mit dem der Inhaber rechnen kann. In der Praxis ist es bei kleinen Betrieben ohne zweite Führungsebene oder mehrere Geschäftsführer allerdings fast immer so, dass sich diese Werte nicht erreichen lassen. Gründe sind u. a., dass
- die Firma meist extrem vom Eigentümer abhängt, weil er z. B. die meisten wichtigen Entscheidungen alleine trifft oder
- er als einziger über die nötigen Kontakte für die geschäftliche Weiterentwicklung verfügt.
Hinzu kommen zu so einem frühen Zeitpunkt oft noch bestehende Risiken, z. B. wegen Gewährleistungen oder laufenden Prozessen. Diese und ggf. weitere risikobehaftete Punkte werden vom Inhaber mit dem Berater besprochen, aufgelistet und bewertet.
In der Excel-Anwendung ist das im Tabellenblatt "Korrektur" möglich. Hier lassen sich bis zu 25 Punkte oder Faktoren auflisten, die Einfluss auf den Kaufpreis haben. Hohe Abhängigkeit vom Inhaber oder hohe Risiken werden in der roten Spalte links, niedrige Risiken in der vorletzten grünen Spalte angesetzt. Positive Faktoren, etwa ein gutes Rating oder die Bereitschaft des aktuellen Inhabers, für eine Übergangszeit dem Käufer beratend zur Seite zu stehen, werden in die letzte grüne Spalte eingegeben. Es gilt: je mehr Punkte in der Spalte mit 0 % eingegeben werden, desto geringer der Abschlag, je mehr Punkte in den Spalten links davon eingegeben werden, desto höher der Abschlag.
Aus allen Eingaben wird ein Abhängigkeits-Mittelwert berechnet; bei der GmbH beträgt er gut 47 %. Vereinfacht ausgedrückt, ist das der Prozentanteil, um den die berechneten Kaufpreise reduziert werden müssen.
Bei der GmbH führt der Abschlag dazu, dass sich die voraussichtlichen Kaufpreise nur noch auf rund 500 bis gut 760 TEUR belaufen (s. Abb. 1 Teil III). Das hat auch den Inhaber sehr überrascht, da die Werte doch relativ weit weg von seinen eigenen Vorstellungen sind.
Abb. 2: Tabellenblatt Korrekturen (Auszug)
Was auf den ersten Blick bedrohlich aussieht, birgt nach Ansicht des Beraters auch Chancen. Denn eine realistische Risikobewertung hat bei einer ausreichend langen Vorlaufzeit den Vorteil, dass Verbesserungen bzw. Reduzierungen der Abhängigkeiten vorgenommen werden können. Auf diese Weise ist es möglich, einen höheren Verkaufspreis zu erzielen als den, den man im ersten Anlauf ermittelt hat, wodurch auch die Preisvorstellung des Inhabers wieder in den Bereich des Möglichen rückt.
In der GmbH hat man u. a. folgende Maßnahmen umgesetzt:
- Sukzessive Übertragung von Aufgaben auf andere Mitarbeiter.
- Schriftliche Dokumentation von Abläufen.
- Übertragung eines Teils der Verantwortung für die Sortimentsgestaltung und Entwicklung an den Vertrieb.
Zudem wurden die Mitarbeiter zeitnah, offen und umfassend über die Pläne des Inhabers informiert, um zu erreichen, dass alle Beschäftigten "an Bord" bleiben. Hier stellte sich als besonders positiv heraus, dass der Inhaber sich bereit erklärte, für eine Übergangszeit von 2-3 Jahren nach dem Verkauf beratend zur Seite zu stehen. Der letzte Punkt ist im Kern für alle Unternehmen und Verkäufe wichtig, da so das Problem der alleinigen Gestaltung von Zielen und Strategien und auch der Aspekt "Netzwerkabhängigkeit" signifikant verbessert werden kann.