Leitsatz
Bei der Pfändung künftiger Forderungen entsteht das Pfändungspfandrecht nicht bereits mit der Zustellung der Pfändungsverfügung an den Drittschuldner, sondern erst mit der (späteren) Entstehung der Forderung. Das Pfändungspfandrecht als Sicherung i.S.d. § 88 InsO ist daher erst dann erlangt, wenn die Forderung entsteht. Liegt dieser Zeitpunkt im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ist die Sicherung nicht insolvenzfest; sie wird mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ipso iure unwirksam.
Normenkette
§ 309 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 , § 829 Abs. 3 ZPO , § 88 InsO , § 110 InsO , § 114 Abs. 3 InsO , § 139 InsO , § 140 Abs. 3 InsO
Sachverhalt
Das FA hatte wegen Steuerrückständen einer GmbH alle dieser gegenwärtig und zukünftig zustehenden Forderungen gegen eine Drittschuldnerin gepfändet und sich alle Beträge zur Einziehung überwiesen. Diese Verfügung wurde der Drittschuldnerin im November 1998 zugestellt. Nachdem die Drittschuldnerin daraufhin dem Konto der GmbH die betroffenen Beträge am 15.12.1998 bzw. am 7.1.1999 gutgeschrieben hatte, beantragte die GmbH am 14.1.1999 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Zum Insolvenzverwalter wurde der Kläger bestellt. Er beantragte beim FA die Aufhebung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung sowie die Freigabe des Bankguthabens zur Masse, weil das Pfändungspfandrecht des FA gem. § 88 InsO unwirksam geworden sei. Nach dieser Vorschrift wird eine Sicherung, die ein Insolvenzgläubiger im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens an dem zur (späteren) Insolvenzmasse gehörenden Vermögen des Schuldners erlangt hat, mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam.
Entscheidung
Das vom FA erworbene Pfändungspfandrecht an den der GmbH gegenwärtig und zukünftig zustehenden Forderungen gegen die Drittschuldnerin ist aufgrund der sog. Rückschlagsperre des § 88 InsO nicht insolvenzfest gewesen.
Hinweis
Nach § 88 InsO wird eine Sicherung, die ein Insolvenzgläubiger im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag durch Zwangsvollstreckung an dem zur (späteren) Insolvenzmasse gehörenden Vermögen des Schuldners erlangt hat, mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam. Sicherungen, die jemand in der erfahrungsgemäß kritischen Zeit vor der Verfahrenseröffnung erlangt, sollen also ohne Insolvenzanfechtung unwirksam werden.
Wann aber erlangt das FA ein Pfändungspfandrecht an Forderungen? Bei der Pfändung einer Forderung durch die Finanzbehörde ist die Pfändung bewirkt, wenn die Pfändungsverfügung dem Drittschuldner zugestellt ist (§ 309 Abs. 2 Satz 1 AO). Bei einer künftigen Forderung, die am Tag der Zustellung der Pfändungsverfügung noch gar nicht entstanden ist, entsteht ein Pfändungspfandrecht freilich erst, wenn die Forderung tatsächlich entsteht. Bis zu diesem Zeitpunkt geht die Pfändung ins Leere. Im Besprechungsfall lagen deshalb die beiden vorgenannten Zeitpunkte (15.12.1998 und 7.1.1999) innerhalb der Monatsfrist des § 88 InsO. Die sog. Rückschlagsperre, die in dieser Vorschrift geregelt ist, bewirkt also, dass die Sicherung des FA mit der späteren Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.2.1999 ipso iure unwirksam geworden ist, obwohl die entsprechenden Pfändungsverfügungen bereits vor Beginn der Monatsfrist bekannt gemacht worden waren.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 12.4.2005, VII R 7/03