Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Null-Kupon-Wandelschuldverschreibungen haben zwar grundsätzlich eine Emissionsrendite (Anschluss an BFH, Urteil vom 20.11.2006, VIII R 43/05, BFHE 216, 97, BStBl II 2007, 560), nicht aber dann, wenn diese ungeachtet einer geringfügigen Mindestverzinsung mit dem Versprechen einer höheren – wegen Anknüpfung an die Wertentwicklung bestimmter Aktien nicht genau bezifferbaren – Verzinsung verbunden ist und damit die Gesamtverzinsung der Schuldverschreibungen überwiegend von der im Zeitpunkt der jeweiligen Emission nicht kalkulierbaren Aktienkursentwicklung abhängt (Anschluss an BFH, Urteil vom 26.6.2012, VIII R 40/10, BFH/NV 2013, 346).
2. Eine solche Abhängigkeit von einer nicht kalkulierbaren Wertentwicklung im Zeitpunkt der Emission liegt vor, wenn die Null-Kupon-Wandelschuldverschreibungen nach den Emissionsbedingungen im Zeitpunkt der Fälligkeit nur "nach Wahl des Unternehmens", also nicht nach autonomer Entscheidung des Inhabers, lediglich in nicht wandelbare verzinsliche und erst zu einem späteren Zeitpunkt fällige Anleihen eingetauscht werden können.
3. Der Ansatz der Marktrendite nach Maßgabe der im Streitjahr 1997 gemäß § 52 Abs. 37b EStG i.d.F. des StÄndG 2001 rückwirkend in Kraft gesetzten Neuregelung des § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG kommt im Rahmen einer auf § 173 Abs. 1 AO beruhenden Änderung bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide nicht in Betracht.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 7, § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, § 52 Abs. 37b EStG, § 173 Abs. 1 AO
Sachverhalt
Die Kläger veräußerten am 18.9.1997 Null-Kupon-Wandelschuldverschreibungen zum Kurswert von 68 %, die sie am 23.9.1996 zum Kurswert von 60,025 % erworben hatten. Den hierbei erzielten Veräußerungsgewinn in Höhe von 18.436 DM gaben sie nicht in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1997 an. Nach den Angaben im Emissionsprospekt waren die Wandelschuldverschreibungen am 31.12.2000 fällig. Bis zu diesem Zeitpunkt sollte sich die Rendite auf ca. 10 % belaufen. Am Tag der Fälligkeit hatte der Inhaber der Wandelschuldverschreibung das Recht, diese in Aktien des Unternehmens umzutauschen. Bei Nichtausübung des Wahlrechts konnte der Emittent dem Inhaber eine variabel verzinsliche Anleihe einräumen. Aufgrund der Feststellungen der Steuerfahndung änderte das FA die Einkommensteuerfestsetzung der Kläger nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und legte den Veräußerungsgewinn der Wandelschuldverschreibung der Besteuerung zugrunde. Das FG Münster hat die Klage mit Urteil vom 27.6.2012, 7 K 630/09 E, Haufe-Index 5500600, EFG 2013, 1754 abgewiesen.
Entscheidung
Der BFH hat der Revision der Kläger aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen stattgegeben. Er hat das FG-Urteil und die Einspruchsentscheidung aufgehoben und die Einkommensteuerfestsetzung dahin gehend geändert, dass der Gewinn aus der Veräußerung der Null-Kupon-Wandelschuldverschreibungen bei der Steuerfestsetzung außer Ansatz bleibt.
Hinweis
Der etwas in die Jahre gekommene Fall hat es in sich. Es handelt sich um ein Relikt aus der Zeit, als die Steuergesetzgebung der Entwicklung neuer Finanzprodukte "hinterherhinkte". Diese zeichneten sich dadurch aus, dass Nutzungsentgelt und Kursgewinn nicht hinreichend voneinander abgrenzbar waren. Erreicht werden sollte dadurch, dass weder die Voraussetzungen für eine Besteuerung nach § 20 EStG noch nach § 23 EStG erfüllt waren. Der Gesetzgeber hat darauf reagiert und mit dem StÄndG 2001 rückwirkend eine Besteuerung der Finanzinnovationen nach der Marktrendite eingeführt. Der Umstand, dass die Regelung für das Streitjahr 1997 rückwirkend und somit zu spät eingeführt wurde, führte im Ergebnis zum Erfolg der Revision.
1. Im Streitfall waren die Voraussetzungen für eine Besteuerung des Veräußerungsgewinns nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG nicht erfüllt. Die nach der Fassung des Streitjahres geltende Spekulationsfrist von sechs Monaten war bereits überschritten.
2. Eine Besteuerung kam danach nur gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG in Betracht. Die erste Weichenstellung betraf die Frage, ob die von den Klägern erworbenen Wandelschuldverschreibungen eine im Voraus bezifferbare Emissionsrendite aufwiesen. Sollte dies zu verneinen sein, bestand auch nach der vor der Änderung durch das StÄndG 2001 geltenden Fassung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG keine Besteuerungsgrundlage. Abzustellen war auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Emission. Entgegen der Vorinstanz ist der BFH davon ausgegangen, dass die Wandelschuldverschreibungen keine bezifferbare Emissionsrendite aufwiesen. Zwar sei vom Emittenten eine Mindestverzinsung zugesagt worden. Diese sei jedoch mit einem ungewissen Ereignis verknüpft gewesen. Dieses sieht der BFH in der Verpflichtung, die Schuldverschreibung zum Zeitpunkt der Endfälligkeit in Aktien des Emittenten zu tauschen. Die Wandelschuldverschreibungen seien danach von der Anknüpfung an den Wert dieses Aktienpaketes geprägt gewesen. An einer im Voraus bezifferbaren Emissionsrendite fehle...