Leitsatz
1. Der USt unterliegende Entgeltforderungen aus Lieferungen und sonstigen Leistungen an den späteren Gemeinschuldner werden spätestens im Augenblick der Insolvenzeröffnung unbeschadet einer möglichen Insolvenzquote in voller Höhe uneinbringlich.
2. Wird das uneinbringlich gewordene Entgelt nachträglich vereinnahmt, ist der USt-Betrag erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 UStG). Das gilt auch für den Fall, dass der Insolvenzverwalter die durch die Eröffnung uneinbringlich gewordene Forderung erfüllt (Änderung der Rechtsprechung).
Normenkette
§ 17, § 2 Abs. 2 UStG 1999, § 157 Abs. 2 AO, § 103 InsO
Sachverhalt
Der Kläger hatte ein Grundstück an die H-GmbH verpachtet, an der er zu mehr als 50 % beteiligt war (Organschaft). In Bezug auf die im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch offenen Verbindlichkeiten der H-GmbH berichtigte das FA die Vorsteuer beim Organträger, dem Kläger. Der wandte sich gegen die Berichtigung bei ihm als Organträger und gegen die Berichtigung überhaupt, weil der Insolvenzverwalter Verträge noch nicht erfüllt habe.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg (FG Köln, Urteil vom 20.02.2008, 7 K 3972/02, Haufe-Index 1993109, EFG 2008, 905).
Entscheidung
Auch die Revision des Klägers hatte aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen keinen Erfolg.
Hinweis
Das Besprechungsurteil betraf die Frage, ob eine Vorsteuerberichtigung beim Organträger zu berücksichtigen war.
1.§ 17 UStG regelt einen eigenständigen materiell-rechtlichen Berichtigungstatbestand gegenüber den Änderungsvorschriften der AO. Der anfänglich nach "Soll"-Besteuerungsgrundsätzen vorgenommene Vorsteuerabzug ist (lediglich) tatbestandliche Voraussetzung der materiellen Regelung nach § 17 UStG."Uneinbringlich"i.S.d. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStGwerden Forderungen spätestens im Augenblick der Insolvenzeröffnungunbeschadet einer möglichen Insolvenzquote in voller Höhe. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sind USt des Leistenden und Vorsteuer des Leistungsempfängers zu berichtigen.
2. Im Rahmen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft hat die Vorsteuerberichtigung gegenüber dem (bisherigen) Organträger zu erfolgen, wenn die Uneinbringlichkeit vor Beendigung der Organschaft eingetreten ist oder wenn – durch die Insolvenzeröffnung – die Organschaftsbeendigung und Uneinbringlichkeit gleichzeitig erfolgen.
3. Die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters führt regelmäßig nicht zur Beendigung der organisatorischen Eingliederung, wenn der Organträger weiterhin als Geschäftsführer der von der Insolvenz bedrohten Organgesellschaft tätig und die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Organgesellschaft noch nicht auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen ist.
4. Wird ein uneinbringlich gewordenes Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind der USt-Betrag und der Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 UStG). Das gilt auch für den Fall, dass der Insolvenzverwalter die durch die Eröffnung uneinbringlich gewordene Forderung erfüllt. Denn bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch ausstehende Erfüllungsansprüche verlieren aufgrund der Verfahrenseröffnung – auch – zivilrechtlich ihre Durchsetzbarkeit und sind deshalb "uneinbringlich" i.S.d. § 17 UStG. Die danach erforderliche Berichtigung nach § 17 UStG kann nicht von erst später eintretenden Umständen wie der Erfüllungswahl durch den Insolvenzverwalter nach § 103 InsO abhängen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.10.2009 – V R 14/08