Leitsatz
Erbringt eine berufsbildende Einrichtung i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1991/1993 zusätzlich zu den unmittelbar der Ausbildung dienenden Leistungen ausbildungsbegleitende sozialpädagogische Leistungen, die nicht selbst die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1991/1993 erfüllen, sind diese unter den Voraussetzungen des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der 6. EG-RL nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-RL steuerbefreit.
Normenkette
§ 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1991/1993, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i und Abs. 2 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Eine GmbH führte – mit Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG – Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen (Kurse in verschiedenen Bereichen) im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeit (BA) und für den Arbeitsförderungsdienst der Bundeswehr durch. Die BA gewährte auf besonderen Antrag eine Monatspauschale für die sozialpädagogische Betreuung der Teilnehmer mit besonderen Problemen (Drogen, Schulden; Sprach- und Schreibschwierigkeiten).
Im Streit um die Steuerfreiheit dieser Leistungen unterlag die Klägerin vor dem FG (EFG 2002, 1265).
Entscheidung
Die Revision hatte Erfolg. Die Feststellungen des FG waren aber nicht ausreichend. Für die Annahme, dass die streitigen sozialpädagogischen Leistungen für den jeweiligen Ausbildungserfolg in diesem Sinn unerlässlich waren, sprach zwar, dass es sich um Fortbildungs- und Ausbildungsleistungen i.S.d. § 34 Abs. 1 AFG handelte und sozialpädagogische Betreuung diese ergänzt. Die insoweit erforderlichen tatsächlichen Feststellungen wird das FG allerdings noch nachzuholen haben.
Hinweis
Schon mehrfach hat der BFH entschieden, dass die nationalen Befreiungsvorschriften – insbesondere im Bereich Sozialfürsorge, Erziehung und Aus- und Fortbildung – nicht deckungsgleich mit den Vorgaben der 6. EG-RL (und natürlich auch der nunmehr geltenden MwStSystRL) sind. In solchen Fällen lohnt deshalb stets der Blick in das Europarecht: hier noch die 6. EG-RL.
Befreit sind nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-RL "die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung".
Ausbildungsbegleitende Hilfen sind als "eng mit der Fortbildung und beruflichen Umschulung verbundene" Leistungen nur steuerfrei, wenn sie zur Ausübung der Tätigkeiten, für die die Steuerbefreiung gewährt wird, "unerlässlich" sind. Dies liegt z.B. bei Förderungsmaßnahmen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) oder bei sozialpädagogischen Leistungen in einer Schule nahe.
Der BFH betont:
1. Auch Einrichtungen mit Gewinnerzielungsabsicht sind begünstigt. Hat der Gemeinschaftsgesetzgeber die Inanspruchnahme der betreffenden Befreiungen nicht ausdrücklich vom Fehlen eines Gewinnstrebens abhängig gemacht – wie z.B. in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-RL –, kann das Streben nach Gewinnerzielung der Inanspruchnahme dieser Befreiungen nicht entgegenstehen. Dass den Mitgliedstaaten diese Einschränkung nach Art. 13 Teil A Abs. 2 der 6. EG-RL erlaubt wäre, ist unerheblich, wenn es sich um einen Bereich handelt, den der nationale Gesetzgeber – gemeinschaftswidrig – nicht geregelt hat.
2. Die Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchstabe b UStG genügt zur "Anerkennung" durch den Mitgliedstaat als "Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung". Denn maßgebend ist insoweit, dass es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, für die die Kosten von den Sozialversicherungsträgern übernehmbar waren. Vergleichbares gilt auch für die Frage, ob eine Einrichtung mit vergleichbarer Zielrichtung i.S.d. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-RL anerkannt ist. Im Übrigen: Werden die in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-RL bezeichneten Leistungen von dem betreffenden Sozialversicherungsträger erstattet, kann daraus auch die Anerkennung des Mitgliedstaats abgeleitet werden.
3. Im Streitfall kam im Übrigen auch eine Befreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-RL in Betracht.
Hier genügt, dass zwei Voraussetzungen erfüllt sind, und zwar
- zum einen, dass es sich um Leistungen handelt, die mit der Fürsorge oder der sozialen Sicherheit verbunden sind, und
- zum anderen, dass diese Leistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit im Wesentlichen sozialem Charakter anerkannt worden sind, erbracht werden. Für die "Anerkennung" der Einrichtung gelten die zuvor unter 2. erläuterten Grundsätze.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.3.2007, V R 28/04