Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Die Abgabe von Pizzateilen durch einen Imbiss-Stand in der Gastronomie-Mall eines Stadions unterliegt als sonstige Leistung dem Regelsteuersatz, wenn den Kunden Stehtische und Bierzeltgarnituren zum Verzehr zur Verfügung stehen. Das gilt auch, wenn diese nicht vom Betreiber des Imbissstandes aufgestellt wurden.
Sachverhalt
Die Klägerin betreibt auf Grund eines Mietvertrags in der Gastronomie-Mall eines Fußballstadions einen Verkaufsstand, in dem sie anlässlich von Heimspielen Pizzateile und Getränke verkauft. Der Vermieter hat in der Gastronomie-Mall Stehtische und Bierzeltgarnituren zur Verfügung gestellt. Das Finanzamt behandelte die Umsätze aus dem Pizzaverkauf als Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle (vgl. § 3 Abs. 9 Satz 4 und 5 UStG a.F.) und verlangte Umsatzsteuer nach dem Regelsteuersatz. Die Klägerin war der Auffassung, sie habe lediglich ermäßigt zu besteuernde Lieferungen erbracht, weil insbesondere die Stehtische nicht von ihr unterhalten wurden und sich keine Bierzeltgarnituren in der Nähe ihres Verkaufsstands befinden.
Entscheidung
Die Klage wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzgericht sah unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG a. F. überhaupt erfüllt sind, eine Dienstleistung. Selbst wenn dies zu verneinen wäre, wäre im Umkehrschluss nicht zwangsläufig von begünstigen Lieferungen auszugehen. Entscheidend sei, dass im Streifall das Dienstleistungselement qualitativ überwiege, weil den Kunden in der Gastronomie-Mall Bierzeltgarnituren und Stehtische zur Verfügung stehen, an denen sie die Speisen verzehren können. Unerheblich ist dabei, dass die Tische und Bänke nicht von der Klägerin selbst aufgestellt wurden, sondern vom Verpächter und dieser auch zur Reinigung verpflichtet ist. Insoweit handelt der Verpächter nämlich klar und eindeutig im Interesse der Mieter der einzelnen Kioske. Die Gastronomie-Mall ist so angelegt, dass die Stadionbesucher vor und nach dem Spiel und in der Pause die aufeinander abgestimmten Angebote der einzelnen Kioskpächter in Anspruch nehmen können. Aus der maßgebenden Sicht des Durchschnittsverbrauchers werden somit nicht nur zubereitete Speisen abgegeben, sondern auch in unmittelbarer Nähe des Kiosks Tische bereit gestellt, an denen die gekauften Speisen verzehrt werden (können).
Hinweis
Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2008 wurde § 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG ersatzlos gestrichen. Die Problematik der Abgrenzung zwischen begünstigter Lebensmittellieferung und sonstiger Leistung hat sich dadurch jedoch nicht wesentlich geändert. Das BMF hat mit Schreiben vom 16.10.2008 (IV B 8-S 7100/07/10050) hierzu umfassend Stellung genommen und zugleich einige Aussagen in Abschn. 25a UStR korrigiert. Das hier besprochene Finanzgerichtsurteil deckt sich insoweit mit der Rechtsauffassung des BMF, weil allein das zur Verfügung stellen von Verzehreinrichtungen (dazu zählen auch Stehtische) schon zur Annahme einer sonstigen Leistung führt. Dies gilt auch dann, wenn sie von Dritten im Rahmen eines zwischen dem die Speisen abgebenden Unternehmers und dem Dritten abgestimmten Gesamtkonzepts erbracht werden. Imbissstände (zumindest außerhalb eines Fußballstadions) können sich allerdings noch darauf berufen, dass die vorhandenen Verzehreinrichtungen bei Abgabe der Speisen lediglich "zum Mitnehmen" gar nicht genutzt werden und somit zu einem gewissen Teil auch Umsätze erbracht werden, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Das räumte auch das Finanzgericht ein, war allerdings angesichts der Gesamtumstände des Falles nicht bereit, einen solchen Anteil zu schätzen, weil üblicherweise während eines Fußballspiels keine Speisen "zum Mitnehmen" erworben werden. Wer regelmäßig Fußballspiele besucht, weiß aber sehr genau, dass ein gewisser Teil der abgegebenen Speisen auf dem Weg zum oder am Tribünenplatz eingenommen wird. Weil ein Großteil der in den Stadien vorhandenen Tribünenplätze keine zum Verzehr geeignete Bestuhlung (etwa wie in einem Kino) enthält, muss es m.E. - entgegen der Auffassung des Finanzgerichts - doch möglich sein, einen gewissen Teil der Umsätze als ermäßigt zu besteuernde Lieferungen "zum Mitnehmen" zu beurteilen.
Link zur Entscheidung
FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.04.2008, 6 K 1517/06