Leitsatz
Ist ein freiberuflich tätiger Arzt sowohl als Allgemeinmediziner als auch auf arbeitsmedizinischem Gebiet tätig, übt er zwei ihrer Art nach verschiedene Tätigkeiten aus. Die Veräußerung eines dieser Praxisteile stellt eine tarifbegünstigte Teilpraxisveräußerung dar, sofern den Praxisteilen die notwendige organisatorische Selbstständigkeit zukommt.
Normenkette
§ 16 EStG , § 18 Abs. 3 EStG , § 34 EStG
Sachverhalt
Ein Arztehepaar hatte eine allgemeinmedizinische Praxis betrieben, aber daneben auch betriebsärztliche Tätigkeiten übernommen. Im Lauf der Zeit überstiegen die Einnahmen aus Arbeitsmedizin die Einnahmen aus der allgemeinen Praxis. Schließlich veräußerte das Ehepaar die Allgemeinpraxis an einen anderen Arzt, der die Praxis in den bisherigen Mieträumen fortführte und in alle Verträge einschließlich der Arbeitsverträge eintrat. Das Arztehepaar war seither nur noch auf dem Gebiet der Arbeitsmedizin tätig, durfte aber in den bisherigen Praxisräumen an bis zu vier Stunden wöchentlich arbeitsmedizinische Untersuchungen vornehmen und bestimmte Geräte für Untersuchungen außerhalb der Praxis benutzen.
Den Gewinn aus der Veräußerung der Allgemeinpraxis unterwarf das FA dem Regelsteuersatz. Die dagegen erhobene Klage, mit der eine Teilpraxisveräußerung zum ermäßigten Steuersatz geltend gemacht wurde, hatte zunächst Erfolg.
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies das Verfahren zurück. Zwar könne die Allgemeinpraxis ein Teilbetrieb gewesen sein, dessen Veräußerung wegen der Einstellung dieser von der Arbeitsmedizin verschiedenen Tätigkeit dem ermäßigten Steuersatz unterliege. Es müsse aber noch festgestellt werden, ob Allgemeinpraxis und Arbeitsmedizin organisatorisch ausreichend verselbstständigt gewesen seien.
Hinweis
1. Der Gewinn aus der Veräußerung eines Teilbetriebs ist nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG ein tarifbegünstigter Veräußerungsgewinn. Eine Teilbetriebsveräußerung kommt bei allen Gewinneinkunftsarten in Betracht, also auch bei freiberuflichen Einkünften. Ob ein Teilbetrieb veräußert wurde oder ein unselbstständiger Betriebsteil, hat wegen der fehlenden Tarifbegünstigung bei Veräußerung eines Betriebsteils erhebliche Bedeutung.
Ein Teilbetrieb ist generell ein mit einer gewissen Selbstständigkeit ausgestatteter, organisatorisch in sich geschlossener und für sich lebensfähiger Teil des Gesamtbetriebs. Bezogen auf Freiberufler erkennt der BFH einen Teilbetrieb bei zwei Fallgruppen an, nämlich wenn sich die freiberufliche Arbeit auf wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten mit zugehörigen unterschiedlichen Kunden- bzw. Patientenkreisen erstreckt (1. Fallgruppe) oder wenn eine gleichartige Tätigkeit in voneinander getrennten örtlich abgegrenzten Bereichen ausgeübt wird (2. Fallgruppe).
2. Im Besprechungsfall lag kein örtlich getrennter Wirkungskreis vor. Eine Teilpraxis konnte also nur veräußert worden sein, wenn sich die zuvor ausgeübten Tätigkeiten wesensmäßig unterschieden und unterschiedliche Patientenkreise betrafen. Den kassenärztlichen Teil einer Praxis, die Kassen- und Privatpatienten einschloss, hatte der BFH nicht als Teilbetrieb angesehen, weil sich die Behandlung der verschiedenen Patientengruppen nicht unterscheide (BFH, Urteil vom 6.3.1997, IV R 28/96, BFH/NV 1997, 746). Wegen der gleichartigen Behandlungstätigkeit war nach Meinung des BFH auch eine Großtierpraxis kein Teilbetrieb, wenn zuvor Groß- und Kleintiere von einem Tierarzt behandelt worden waren (BFH, Urteil vom 29.10.1992, IV R 16/91, BStBl II 1993, 182).
Anders beurteilte der BFH im Besprechungsfall aber das Verhältnis einer Arztpraxis für Allgemeinmedizin und eine zugleich ausgeübte Tätigkeit als Betriebsarzt. Denn die arbeitsmedizinische Tätigkeit diene nicht der Behandlung von Patienten, sondern dem Arbeitsschutz und der Unfallverhütung.
3. Beachten Sie, dass selbst bei verschiedenartiger Tätigkeit ein Teilbetrieb nur vorliegt, wenn die Tätigkeiten auch organisatorisch getrennt ausgeübt werden. Die Anforderungen an die organisatorische Trennung lassen sich nicht im Sinn einer Checkliste allgemeinverbindlich darstellen. Eine Trennung der Bereiche kann aber insbesondere räumlich oder personell vorgenommen werden. Auch eine getrennte Verwaltung einschließlich Gewinnermittlung wäre ein wichtiges Indiz, ist aber keine zwingende Voraussetzung.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 4.11.2004, IV R 17/03