Leitsatz
1. Der Übergang von einem Gewerbebetrieb zur einkommensteuerlich unbeachtlichen Liebhaberei ist keine Betriebsaufgabe (ständige BFH-Rechtsprechung).
2. Die Veräußerung oder Aufgabe eines Liebhabereibetriebs ist eine Betriebsveräußerung oder ‐aufgabe nach § 16 Abs. 1, Abs. 3 EStG.
3. Der Veräußerungs- oder Aufgabegewinn hieraus ist steuerpflichtig, soweit er auf die einkommensteuerlich relevante Phase des Betriebs entfällt.
4. Der steuerpflichtige Teil des Gewinns ist im Jahr der Veräußerung oder Aufgabe zu versteuern.
5. Er entspricht der Höhe nach im Grundsatz den nach § 8 der VO zu § 180 Abs. 2 AO auf den Zeitpunkt des Übergangs zur Liebhaberei gesondert festgestellten stillen Reserven.
6. Eine negative Wertentwicklung während der Liebhabereiphase berührt die Steuerpflicht des auf die einkommensteuerlich relevante Phase entfallenden Gewinnanteils nicht. Die Veräußerung eines Liebhabereibetriebs kann daher auch dann zu einem steuerpflichtigen Gewinn führen, wenn der erzielte Erlös die festgestellten stillen Reserven nicht erreicht.
Normenkette
§ 4 Abs. 1, § 4 Abs. 4, § 5, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 15 Abs. 2 Satz 1, § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 16 Abs. 2, § 16 Abs. 3, § 16 Abs. 3b Satz 3 EStG, § 96 Abs. 1 Satz 2, § 118 Abs. 2 FGO, Art. 19 Abs. 4 GG, § 175 Abs. 1, § 180 Abs. 2 Satz 3, § 182 Abs. 1 Satz 1, § 233a Abs. 2a AO, § 8 VO zu § 180 Abs. 2 AO
Sachverhalt
Die Klägerin betrieb ein Hotel, das von Beginn an Verluste erzielte. Im Jahr 2001 verständigte sie sich mit dem FA darauf, dass der Hotelbetrieb ab 1994 als Liebhabereibetrieb zu qualifizieren sei. Das FA stellte die stillen Reserven des Grundbesitzes mit 1,5 Mio. EUR fest. Während der Liebhabereiphase errichtete die Klägerin noch einen Anbau, sodass der Buchwert für den Grundbesitz nunmehr 2,3 Mio. EUR betrug. Im Streitjahr 2008 veräußerte sie den Betrieb mit dem einzig werthaltigen Wirtschaftsgut Grundbesitz für 1,85 Mio. EUR.
Die Klägerin ermittelte einen Veräußerungsverlust, während das FA einen Veräußerungsgewinn i.H.v. 0,6 Mio. EUR zugrunde legte, auf den es § 34 Abs. 1 EStG anwandte. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG befand, dass richtigerweise ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 1,5 Mio. EUR zu versteuern gewesen wäre, der den zum 31.12.1993 festgestellten stillen Reserven entspreche. Die Höhe des tatsächlich erzielten Veräußerungspreises sei unerheblich. Aufgrund des Verböserungsverbots bleibe es jedoch bei der tatsächlichen Festsetzung (FG Düsseldorf, Urteil vom 16.10.2014, 11 K 1509/14 E, Haufe-Index 8515749, EFG 2015, 1431).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Rechtsauffassung des FG aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen und wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Dieses Urteil knüpft an die Entscheidung des X. Senats vom selben Tag im Verfahren X R 61/14 (BFHE 153, 407, BFH/NV 2016, 1371) an, indem es bestätigt, dass der Strukturwandel zur Liebhaberei hin für sich genommen noch keine Betriebsaufgabe darstellt und deshalb auch nicht zu einem steuerpflichtigen Aufgabegewinn führt. Die Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens bleiben sog. "eingefrorenes Betriebsvermögen". Damit kommt es erst dann zu einer Versteuerung der stillen Reserven, wenn ein Realisationsakt (Betriebsaufgabe oder Veräußerung entweder des gesamten Betriebs oder einzelner Wirtschaftsgüter) vorliegt.
2. Im Besprechungsurteil werden die Folgen aufgezeigt, wenn ein Betrieb veräußert wird, der im Laufe seiner zeitlichen Existenz teilweise ein einkommensteuerlich relevanter Betrieb, teilweise hingegen ein einkommensteuerlich irrelevanter Liebhabereibetrieb war. Der aus der Substanz des Betriebs erzielte Gesamtgewinn setzt sich dann zusammen aus dessen Wertentwicklung vor und nach diesem Stichtag. Der Gewinn ist folglich in einen betrieblich veranlassten und einen privat veranlassten Teil aufzuteilen.
3. Die Feststellung der stillen Reserven gemäß § 8 der VO zu § 180 Abs. 2 AO auf den Zeitpunkt des Übergangs zur Liebhaberei fixiert dabei den auf die betriebliche Phase entfallenden und damit steuerpflichtigen Gewinn. Der verbleibende Gewinn entfällt auf die Liebhabereiphase und ist einkommensteuerlich irrelevant.
4. Das gilt unabhängig davon, ob die betreffenden Gewinnanteile positiv oder negativ sind. Es ist damit möglich, dass sich der tatsächliche Veräußerungsgewinn aus einem steuerverhafteten Gewinn und einem nicht steuerverhafteten, nämlich privaten Verlust zusammensetzt. Es ist dann konsequent, den ersteren der Besteuerung zu unterwerfen und letzteren unberücksichtigt zu lassen, weil die der privaten Sphäre zuzuordnenden Wertentwicklungen steuerlich nicht relevant sind.
5. Wenn ein im steuerverhafteten Betriebsvermögen entstandener Gewinn durch einen der Privatsphäre zuzuordnenden Verlust aus Sicht des Steuerpflichtigen wirtschaftlich zunichte gemacht wird, so ändert das nichts an der Realisierung eines steuerverhafteten Gewinns. Eine Verrechnung des steuerlich relevanten Gewinns mit einem steuerlich irrelevanten Verlust...