Leitsatz
1. Erbbauzinsen sind keine Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 HGB für den Erwerb des Erbbaurechts, sondern Entgelt für die Nutzung des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks.
2. Die "Anschaffung" eines Erbbaurechts i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG setzt voraus, dass das Recht im Zeitpunkt der Übertragung bereits bestellt war und der Inhaber des bestehenden Rechts dieses auf den Erwerber entgeltlich überträgt.
3. Zwischen einem unbebauten Grundstück und einem nachfolgend für dieses Grundstück unentgeltlich bestellten Erbbaurecht besteht keine – auch keine partielle – Identität i.S. der Rechtsprechung zum Erfordernis der Nämlichkeit von angeschafftem und innerhalb der Haltefrist veräußertem Wirtschaftsgut.
Normenkette
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 EStG, § 11 ErbbauRG
Sachverhalt
Die A-GbR (bestehend aus dem Ehemann der Klägerin und X) erwarb von X ein unbebautes Grundstück. An einer Teilfläche bestellte die A-GbR zugunsten der Klägerin ein Erbbaurecht. Die Klägerin errichtete darauf ein Gebäude für den Betrieb eines Schnellrestaurants. Innerhalb von 10 Jahren veräußerten die A-GbR das Grundstück und die Klägerin das Erbbaurecht an einen Investor. Der größte Teil des vom Erwerber gezahlten Kaufpreises entfiel auf das Erbbaurecht.
Das FA nahm hinsichtlich der Veräußerung des Erbbaurechts ein privates Veräußerungsgeschäft an (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG). Das FG entschied, die Klägerin habe das Erbbaurecht zwar nicht angeschafft, sie müsse sich aber die Anschaffungskosten der A-GbR für das teilidentische unbebaute Grundstück anteilig zurechnen lassen. Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin (FG Köln, Urteil vom 25.3.2015, 3 K 1265/12, Haufe-Index 8151966, EFG 2015, 1528) hatte Erfolg.
Entscheidung
Der BFH hat bestätigt, dass die Klägerin das Erbbaurecht nicht angeschafft hat und eine Zurechnung von Anschaffungskosten nach § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG ausscheidet, da zwischen unbebautem Grundstück und Erbbaurecht keine (Teil-)Identität besteht.
Ergänzende Hinweis
Nachdem der Ehemann der Klägerin in Insolvenz gefallen war, hatte das FA die ESt-Forderung vergeblich zur Tabelle angemeldet. Der Insolvenzverwalter hatte der Anmeldung widersprochen. Das FA hat den (im Verhältnis zum klagenden Ehemann) unterbrochenen Prozess durch einseitige Erklärung aufgenommen. Dadurch ist für das FA aus dem vormaligen Passivprozess ein Aktivprozess geworden, in dem das FA nun quasi erstinstanzlich vor dem BFH gegen den Insolvenzverwalter auf Feststellung der Forderung zur Tabelle klagt. Was aus dem Aktivprozess des klagenden Ehemanns geworden ist, ergibt sich aus dem Urteil nicht. Der BFH hat jedenfalls die Feststellungsklage des FA abgewiesen, weil die Forderung nicht bestand.
Hinweis
Die frappierende Quintessenz aus den drei Leitsätzen des Besprechungsfalls lautet: Veräußert der Erbbauberechtigte das zu seinen Gunsten bestellte Erbbaurecht innerhalb von 10 Jahren, liegt ein steuerbares Veräußerungsgeschäft nicht vor.
1. Ein steuerbares Veräußerungsgeschäft ist ein zweiaktiger Vorgang, bestehend aus Anschaffung und Veräußerung. Das angeschaffte und das veräußerte Wirtschaftsgut müssen zumindest wirtschaftlich identisch sein (Nämlichkeit).
2. Anschaffung bedeutet die entgeltliche Überführung eines bestehenden Wirtschaftsguts in die eigene Verfügungsmacht. Wirtschaftsgut kann auch ein dingliches Recht sein.
a) Ein Erbbaurecht wird nicht angeschafft, wenn es zugunsten des Erbbauberechtigten vom Eigentümer bestellt (also geschaffen) wird, denn in diesem Fall entsteht es erst mit seiner Bestellung (Eintragung). Es ist vorher nicht existent und kann folglich nicht angeschafft werden. Die im Zusammenhang mit der Bestellung vom Erbbauberechtigten getragenen Kosten führen nach der Ansicht des BFH allerdings zu Anschaffungsnebenkosten. Die Erbbauzinsen, die der Erbbauberechtigte an den Eigentümer zu leisten hat, sind indes keine Anschaffungskosten für das Wirtschaftsgut Erbbaurecht, sondern Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung.
b) Anschaffungskosten für das bestellte Erbbaurecht können auch nicht gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG vom Rechtsvorgänger abgeleitet werden. Der "Rechtsvorgänger" war nicht selbst Inhaber des Erbbaurechts. Auch er hat das Erbbaurecht nicht angeschafft, sondern er hat es als Eigentümer "geschaffen". Zwar hatte er als Eigentümer Anschaffungskosten für das Grundstück. Darin sind aber keine dem Erbbauberechtigten zuzuweisenden Anschaffungskosten für das Erbbaurecht enthalten, denn zwischen dem Eigentum am Grundstück und dem Erbbaurecht besteht keine (auch keine partielle) wirtschaftliche Identität.
c) Anders ist die Rechtslage, wenn das Erbbaurecht derivativ, also vom Erbbauberechtigten erworben wird und wenn der Erwerber dafür an den früheren Erbbauberechtigten einen Preis bezahlt. In diesem Fall unterliegt der Gewinn aus der Weiterveräußerung des angeschafften Erbbaurechts der Besteuerung nach § 23 Abs. 1 EStG.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 8.11.2017 – IX R 25/15