Leitsatz
1. Der Veräußerungsgewinn aus einer Kapitalbeteiligung an einem Unternehmen führt nicht allein deshalb zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, weil die sog. "Managementbeteiligung" von einem Arbeitnehmer der Unternehmensgruppe gehalten und nur leitenden Mitarbeitern angeboten worden war.
2. Bestehende Ausschluss- oder Kündigungsrechte hinsichtlich der Kapitalbeteiligung im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind Ausdruck und Folge der Mitarbeiterbeteiligung und rechtfertigen für sich allein noch nicht die Annahme, dass dem Arbeitnehmer durch die Gewährung einer Möglichkeit zur Beteiligung Lohn zugewendet werden soll.
Normenkette
§ 17, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 2, § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
Sachverhalt
Der Kläger, ein angestellter Manager, beteiligte sich zusammen mit anderen Managern über eine Beteiligungs-GbR an seinem Arbeitgeber, einer AG. Die auf den Kläger entfallende Beteiligung betrug weniger als 1 %. Mehr als ein Jahr nach Erwerb veräußerte die GbR ihre Beteiligung. Der Kläger erzielte daraus einen Veräußerungsgewinn, den er zunächst nicht deklarierte. Nach einer Steuerfahndungsprüfung nahm das FA steuerpflichtigen Arbeitslohn an.
Entscheidung
Das FG hat der Klage stattgegeben (FG Köln, Urteil vom 20.5.2015, 3 K 3253/11, Haufe-Index 8331370).
Der BFH hat die tatsächliche Würdigung des FG bestätigt. Sie sei im Besprechungsfall frei von Rechtsfehlern, tatsächlich möglich und verstoße weder gegen Erfahrungs- noch gegen Denkgesetze.
Reichweite der Entscheidung
Gestaltungsempfehlungen lassen sich aus diesem Urteil nur eingeschränkt ableiten, denn das Urteil betrifft allein die Tatsachenwürdigung im konkreten Fall. Jeder neue Fall könnte auch anders gewürdigt werden, denn eine Abweichung im Tatsächlichen ist grundsätzlich nicht rechtserheblich.
Andererseits ist zu bedenken, dass der BFH das Urteil trotz seiner an sich eingeschränkten Reichweite zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt hat.
Hinweis
Wie kann eine Mitarbeiterbeteiligung rechtlich so gestaltet werden, dass der Gewinn aus der Veräußerung der Beteiligung steuerfrei bleibt? Wie kann verhindert werden, dass die mit der Beteiligung verbundenen Vorteile den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zugerechnet werden? Der Besprechungsfall zeigt ein Beispiel, wie dies gelingen kann:
1. Zum Arbeitslohn gehören alle Vorteile (Güter in Geld oder in Geldeswert), die dem Arbeitnehmer für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft zufließen. Der Vorteil muss sich im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft erweisen.
2. Kein Arbeitslohn liegt vor, wenn die Zuwendung ihren Grund in einer eigenständigen, vom Arbeitsverhältnis unabhängigen Sonderrechtsbeziehung hat. Für die Eigenständigkeit spricht, wenn sie auch losgelöst vom Arbeitsverhältnis bestehen könnte.
3. Welche Veranlassung überwiegt, hat das FG aufgrund einer Gesamtwürdigung aller tatsächlichen Umstände des Falles zu entscheiden. Arbeitslohn ist nicht allein deshalb anzunehmen, weil ein Arbeitnehmer eine Beteiligung an seinem Arbeitgeber veräußert, und auch nicht, wenn die Beteiligung nur (bestimmten) Arbeitnehmern angeboten worden ist.
4. Das Besprechungsurteil geht in seinem sog. "Maßstabsteil" über diese aus der Rechtsprechung altbekannten Grundsätze nicht hinaus. Seine Bedeutung ergibt sich aus der Anwendung dieser Grundsätze auf den Einzelfall.
5. Das FG hat danach Arbeitslohn verneint,
- obwohl die Beteiligung nur Mitarbeitern der ersten und zweiten Führungsebene angeboten worden war und
- die Beendigung des Arbeitsverhältnisses den sofortigen Ausschluss aus der Beteiligungsgesellschaft und die Anwachsung der Beteiligung zur Folge gehabt hätte (Veräußerungsbeschränkung).
Trotz dieser relativ starken Anbindung an das Bestehen und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses hat das FG der Klage stattgegeben. Dem stehe, so das FG, gegenüber, dass der Kläger seine Beteiligung zu einem marktgerechten Preis erworben und ein echtes Verlustrisiko getragen habe.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 4.10.2016 – IX R 43/15