Leitsatz
Wegen struktureller Vollzugshindernisse bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheides für das Jahr 2000, mit dem das Finanzamt Einkommensteuer auf Veräußerungsgewinne aus dem Verkauf von Wertpapieren festgesetzt hat.
Sachverhalt
Der Antragsteller erzielte im Jahr 2000 Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Wertpapieren und erklärte sie in der Steuererklärung für das betreffende Jahr. Das Finanzamt berücksichtigte bei der Einkommensteuerfestsetzung die Einkünfte erklärungsgemäß. Gegen den Steuerbescheid legten die Eheleute unter Bezugnahme auf den Vorlagebeschluss des BFH vom 16. Juli 2002 (BFH, Beschluss v. 16.7.2002, IX R 62/99, BStBl 2003 II S. 74) zur Verfassungswidrigkeit der Erfassung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäfte mit Wertpapiere nach § 23 EStG in der für das Jahr 1997 geltenden Fassung Einspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung. Das Finanzamt gewährte zunächst die Aussetzung der Vollziehung unter der aufschiebenden Bedingung, dass Sicherheit geleistet werde, widerrief die Aussetzung der Vollziehung jedoch, da nach einem Beschluss der AO-Referenten der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder in derartigen Fällen keine Aussetzung der Vollziehung zu gewähren sei. Hierauf beantragte der Antragsteller gemäß § 69 Abs. 3 FGO die Aussetzung der Vollziehung des Steuerbescheides beim Finanzgericht ohne Sicherheitsleistung.
Entscheidung
Das FG Münster folgte dem Begehren des Antragsstellers und setzte den Steuerbescheid ohne Sicherheitsleistung aus. Das Finanzgericht bejahte unter Hinweis auf den Vorlagebeschluss des BFH vom 16.Juli 2002 auch für das Jahr 2000 die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 EStG in der für diesen Veranlagungszeitraum geltenden Fassung, da auch in diesem Zeitraum die Durchsetzung des Steueranspruches wegen struktureller Vollzugshindernisse wesentlich vereitelt werde. Entgegen dem Beschluss des FG Düsseldorf vom 13. November 2002 (FG Düsseldorf, Beschluss v. 13.11.2002, 18 V 2497/02, EFG 2003 S. 557) steht nach den Ausführungen des FG Münster dem Aussetzungsinteresse nicht das überwiegende öffentliche Interesse an einer gesonderten Haushaltsführung entgegen. Eine Sicherheitsleistung könne im strittigen Einzelfall nicht gefordert werden, da der Antragssteller völlig überschuldet sei und er somit trotz äußerster Anstrengung keine Sicherheitsleistung leisten könne.
Hinweis
Dieser Beschluss des FG Münster dürfte der Abschluss über eine Reihe von Beschlüssen der einzelnen Finanzgerichte bilden, die teilweise Aussetzung der Vollziehung gewährten, zum Teil aber auch ablehnten. Mit Beschluss des BFH vom 11. Juni 2003 (BFH, Beschluss v. 11.6.2003, IX B 16/03) mit dem dieser nunmehr in einem entsprechendem Fall zugunsten einer Aussetzung der Vollziehung entschieden hat, dürfte der Streit ein Ende haben, zumal die Finanzverwaltung die Auffassung des BFH übernommen hat und Aussetzung der Vollziehung für sämtliche strittigen offenen Fälle gewährt (BMF, Schreiben v. 8.8.2003, IV D 2 - S 0338 - 53/03). Daher sollte nunmehr bei der Besteuerung von privaten Veräußerungsgewinnen aus Wertpapiergeschäften gegen den Einkommensteuerbescheid Einspruch eingelegt werden und Aussetzung der Vollziehung des Steuerbescheides beantragt werden.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Beschluss vom 25.06.2003, 4 V 6194/02 E