Kommentar
Alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der im Oktober 1991 gegründeten X-GmbH ist M. M übertrug durch notariellen Vertrag vom 4. 10. 1991 die von ihr ebenfalls allein gehaltenen Anteile an einer anderen GmbH, der T-GmbH, ohne Vereinbarung einer Gegenleistung auf die X-GmbH. Diese behandelte die Übertragung als verdeckte Einlage und stellte in ihrer Bilanz zum 31. 12. 1991 der aktiven Beteiligung, deren gemeiner Wert rd. 672 000 DM beträgt, eine Kapitalrücklage in entsprechender Höhe gegenüber. Das Finanzamt bewertete die verdeckt eingelegte Beteiligung mit den ursprünglichen Anschaffungskosten von 50 000 DM ( § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. b EStG i. d. F. von 1991 bis zu dessen Änderung durch das StÄndG 1992) und erließ hiernach betreffend die Körperschaftsteuer für 1991 sowie das verwendbare Eigenkapital zum 31. 12. 1991 entsprechende Bescheide.
Der BFH gibt dem Finanzamt recht. Er entscheidet, daß die zuvor im Privatvermögen der M gehaltenen und sodann in das Betriebsvermögen der X-GmbH verdeckt eingelegten Anteile an der T-GmbH nicht mit dem Teilwert, wie die X-GmbH annimmt, sondern mit den Anschaffungskoste n von 50 000 DM anzusetzen sind. Die Bewertung mit den Anschaffungskosten entspricht dem Gesetzeswortlaut. Zwar fehlt es hier, wie nach dem Wortlaut ( § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. b EStG ) erforderlich, an der Einlage eines Wirtschaftsguts aus dem Privatvermögen in das Betriebsvermögen desselben Steuerzahlers. Die wesentliche Beteiligung wird in das Betriebsvermögen der aufnehmenden X-GmbH eingelegt und nicht in ein eigenes Betriebsvermögen der wesentlich Beteiligten. Da die Einlagevorschriften auch für die Ermittlung des Gewinns von Kapitalgesellschaften anwendbar sind, ist dies jedoch unbeachtlich ( Einlagen ).
Daß verdeckte Einlagen infolge der Ergänzung des § 17 Abs. 1 EStG durch das StÄndG 1992 einem Veräußerungsvorgang gleichgestellt und dadurch gewinnrealisierend behandelt werden, führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Der Gesetzgeber hat damit lediglich auf die veränderte Rechtsprechung des BFH reagiert. Es entspricht allerdings der Verwaltungspraxis ebenso wie einhelliger Auffassung im Schrifttum, daß ab Veranlagungszeitraum 1992 die verdeckt eingelegten Anteile mit ihrem Teilwert anzusetzen seien. Eine derartige Bewertung mag – auch wenn sie dem Wortlaut in § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. b EStG widerspricht – sachgerecht sein, weil andernfalls die Gefahr einer doppelten Besteuerung droht: Die in den eingelegten Anteilen ruhenden stillen Reserven sind – wegen des § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG n. F. – beim Einlegenden zu erfassen. Müßte die aufnehmende GmbH die Anteile dennoch mit ihren Anschaffungskosten ansetzen, käme es zu einer – erneuten – Besteuerung. Der BFH braucht im vorliegenden Fall über diese Frage indes nicht abschließend zu entscheiden, da es sich um einen Fall des Veranlagungszeitraums 1991 handelt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 11.02.1998, I R 89/97