Leitsatz
Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass
- die für die körperschaftsteuerliche Organschaft mit einer GmbH als Organgesellschaft erforderliche Vereinbarung einer Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG auch die Vereinbarung der Verjährungsregelung des § 302 Abs. 4 AktG voraussetzt (Bestätigung des BMF-Schreibens vom 16.12.2005, BStBl I 2006, 12) und dass
- mit der Vertragsklausel
"Die (Organträgerin) ist entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG verpflichtet, jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, dass den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind"
eine Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG vereinbart wird (gegen Verfügung der OFD Rheinland vom 12.08.2009, DStR 2010, 1136).
Normenkette
§ 14 Abs. 1, § 17 S. 2 Nr. 2 KStG 2002, § 302 AktG
Sachverhalt
Die Antragstellerin ist eine GmbH mit abweichendem Wirtschaftsjahr zum 30.06. Am 06.12.2006 schloss sie mit ihrer alleinigen Gesellschafterin, einer AG, einen erstmals zum 30.06.2012 kündbaren Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (BGV), in dem sie sich zur Abführung ihres Gewinns an die AG verpflichtete. Der mit "Verlustübernahme"überschriebene § 3 Abs. 1 BGV hatte zunächst folgenden Wortlaut:
"Die AG ist entsprechend den Vorschriften des § 302 Abs. 1 und 3 AktG verpflichtet, jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, dass den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind."
Im gemeinsamen Bericht der Antragstellerin und der AG nach § 293a AktG heißt es u.a.:
"Die AG verpflichtet sich, gem. § 302 AktG jeden während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen."
Das FA sah die Voraussetzungen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft nicht als gegeben an, weil im Hinblick auf die Verlustübernahme die Verjährungsregelung des § 302 Abs. 4 AktG (i.d.F. des Gesetzes vom 09.12.2004, BGBl I 2004, 3214) nicht Bestandteil des BGV geworden sei. Er setzte deshalb Vorauszahlungen zur KSt fest. Die Antragstellerin erhob hiergegen Einspruch, über den das FA noch nicht entschieden hat.
Die Antragstellerin beantragte sodann beim FA die AdV des Vorauszahlungsbescheids und reichte hinsichtlich der umfassenden Verlustübernahme gem. § 302 AktG eine "Klarstellungsvereinbarung" zwischen Antragstellerin und AG vom 25.09.2009 ein. Danach wird der BGV dahin geändert, dass er erstmals zum Ablauf des 30.06.2015 gekündigt werden kann. Die Vertragsänderungen gem. der "Klarstellungsvereinbarung" und der "Änderungsvereinbarung" wurden am 28.01.2010 im Handelsregister eingetragen.
FA ebenso wie FG (Sächsisches FG, Beschluss vom 30.11.2009, 6 V 1426/09) lehnten die AdV ab.
Entscheidung
Der BFH gab eine differenzierte Antwort:
Zwar müsse § 302 AktG insgesamt und damit auch die Neuregelung des § 302 Abs. 4 AktG in die ausdrückliche Verlustübernahme eingehen. Jedoch sei eine Einbeziehung dieser Gesamtvorschrift gegeben, und das auch dann, wenn nach Erwähnung des § 302 AktG in der Verlustübernahmeverpflichtung der Fokus auf die eigentliche Verlustübernahme gelegt werde. Darin sei lediglich eine textliche Wiederholung, keine substanzielle Einschränkung zu sehen.
Hinweis
1. Durch BFH-Urteil vom 03.03.2010, I R 68/09 (BFH/NV 2010, 1132) hatte der BFH kürzlich seine Spruchpraxis zu den formalen Anforderungen bekräftigt, die eine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft mit einer GmbH als Organgesellschaft verlangt:
§ 17 S. 2 Nr. 2 KStG setzt voraus, dass ausdrücklich eine Verlustübernahme entsprechend § 302 AktG vereinbart wird, und zwar in allen seinen Bestandteilen und in den jeweiligen Regelungsfassungen. Die Tatsache, dass zivilrechtlich § 302 AktG im GmbH-Vertragskonzern analog anzuwenden ist, macht eine solche Vereinbarung nicht entbehrlich.
2. An diese Rechtsprechung knüpft der BFH nun in seinem jüngsten AdV-Beschluss nahtlos an: Die ausdrückliche Einbeziehung erstreckt sich vom 15.12.2004 an auch auf die seinerzeit neu geschaffene Ergänzung des § 302 Abs. 4 AktG. § 302 Abs. 4 AktG sieht eine Verjährung der Ansprüche aus § 302 AktG in zehn Jahren seit dem Tag, an dem die Eintragung der Beendigung des Vertrags in das Handelsregister bekannt gemacht worden ist, vor und weicht damit von den allgemeinen Verjährungsregeln der §§ 195, 199 BGB ab.
Auch diese ergänzende Regelung muss vollumfänglich in den Ergebnisabführungsvertrag mit aufgenommen werden. Dass die Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 16.12.2005, BStBl I 2006, 12) hier einen Übergangsfrist und das Fehlen eines Hinweises auf § 302 Abs. 4 AktG in vor dem 01.01.2006 abgeschlossenen Ergebnisabführungsverträgen belassen hatte, steht dem nicht entgegen; dabei handelt es sich um einen Billigkeitserweis.
3. Jedoch: Irgendwelchen "semantischen Übungen", wie sie (in nicht gleicher,...