Leitsatz
Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass die für die ertragsteuerliche Organschaft mit einer GmbH als Organgesellschaft erforderliche Vereinbarung einer Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG zwar nicht die Vereinbarung einer Regelung gem. § 302 Abs. 2 AktG, wohl aber die Vereinbarung der Verjährungsregelung entsprechend § 302 Abs. 4 AktG voraussetzt (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 28.07.2010, I B 27/10, BFH/NV 2010, 1948, BFH/PR 2010, 433, berichtigt durch Senatsbeschluss vom 15.09.2010, I B 27/10, BFH/NV 2010, 2191, BFH/PR 2010, 478).
Normenkette
§ 17 S. 2 Nr. 2 KStG, § 302 Abs. 2, Abs. 4 AktG
Sachverhalt
Die Antragstellerin ist eine GmbH, die mit ihrer Gesellschafterin, der V-GmbH, einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen hatte, in dem sich die Antragstellerin zur Abführung ihres ganzen Gewinns an die V-GmbH verpflichtete. Außerdem wurde vereinbart, dass die V-GmbH "entsprechend den Vorschriften des § 302 Abs. 1 und 3 AktG" verpflichtet sei, jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen werde, dass den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen würden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden seien.
Das FA vertrat die Auffassung, aufgrund des Vertrags sei kein Organschaftsverhältnis zustande gekommen, weil es in Bezug auf den Verlustausgleichsanspruch der Antragstellerin an der Vereinbarung einer Verjährungsregelung entsprechend § 302 Abs. 4 AktG fehle.
Das FG hat insoweit die beantragte AdV des Steuerbescheids gewährt (FG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.04.2010, 3 V 173/10).
Entscheidung
Der BFH hob den AdV-Beschluss auf und gab dem FA recht. Es bedürfe der Einbeziehung auch des § 302 Abs. 4 AktG in den Ergebnisabführungsvertrag.
Hinweis
1. Durch Urteil vom 03.03.2010, I R 68/09 (BFH/NV 2010, 1132) hatte der BFH seine Spruchpraxis zu den formalen Anforderungen bekräftigt, die eine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft mit einer GmbH als Organgesellschaft verlangt:
§ 17 S. 2 Nr. 2 KStG setzt voraus, dass ausdrücklich eine Verlustübernahme entsprechend § 302 AktG vereinbart wird. Die Tatsache, dass zivilrechtlich § 302 AktG im GmbH-Vertragskonzern analog anzuwenden ist, macht eine solche Vereinbarung nicht entbehrlich.
2. An diese Rechtsprechung knüpfte der BFH erst kürzlich in seinem AdV-Beschluss vom 28.07.2010, I B 27/10 (BFH/NV 2010, 1948, BFH/PR 2010, 433) – berichtigt durch Beschluss vom 15.09.2010, I B 27/10 (BFH/NV 2010, 2191, BFH/PR 2010, 478) – an: Die ausdrückliche Einbeziehung erstreckt sich vom 15.12.2004 an auch auf die seinerzeit neugeschaffene Ergänzung des § 302 Abs. 4 AktG. § 302 Abs. 4 AktG sieht eine Verjährung der Ansprüche aus § 302 AktG in zehn Jahren seit dem Tag, an dem die Eintragung der Beendigung des Vertrags in das Handelsregister bekannt gemacht worden ist, vor und weicht damit von den allgemeinen Verjährungsregeln der §§ 195, 199 BGB ab.
Auch diese ergänzende Regelung muss vollumfänglich in den Ergebnisabführungsvertrag mit aufgenommen werden.
3. Das wird in dem hier vorzustellenden abermaligen AdV-Beschluss nochmals bekräftigt. Zugleich erfolgt aber eine weitere und wichtige Abgrenzung:
Nicht unbedingt einzubeziehen ist in die vertragliche Verlustübernahme § 302 Abs. 2 AktG: § 302 Abs. 2 AktG bezieht sich nicht auf die Verlustübernahme nach Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags, sondern auf jene nach Abschluss eines – für die ertragsteuerliche Organschaft nicht relevanten – Betriebspacht- oder -überlassungsvertrags (§ 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG).
Diese Abgrenzung ist wichtig, weil der BFH in seiner erwähnten Entscheidung vom 03.03.2010, I R 68/09 (BFH/PR 2010, 1132) ausdrücklich hervorgehoben hatte, dass sich die Verlustübernahme analog § 302 AktG auf jene Vorschrift in allen ihren Bestandteilen und in den jeweiligen Regelungsfassungen erstrecken muss. Letzteres ist, wie nunmehr feststeht, zu relativieren: § 302 Abs. 2 AktG gehört dazu nicht. Für einschlägige Besorgnisse, die bereits in der Gestaltungs- und Beratungspraxis laut geworden waren, lässt sich also Entwarnung signalisieren.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 22.12.2010 – I B 83/10