Leitsatz
1. Die Rechte des zum Einspruchsverfahren Hinzugezogenen sind (i.S.d. § 40 Abs. 2 FGO) verletzt, wenn die Einspruchsentscheidung den Hinzugezogenen formell und materiell beschwert.
2. Der Hinzugezogene ist klagebefugt, wenn das FA dem Einspruch des Einspruchsführers in der Einspruchsentscheidung abhilft, dem Hinzugezogenen die Einspruchsentscheidung bekannt gegeben worden ist und in der Einspruchsentscheidung (bindende) Feststellungen getroffen sind, die gem. § 174 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 AO im Folgeänderungsverfahren für den Hinzugezogenen zu einer nachteiligen Korrektur führen können.
3. Das FA ist materiell beschwert (und damit zur Revision befugt), wenn durch ein klageabweisendes Prozessurteil gegen einen Hinzugezogenen der Einspruchsentscheidung die Bindungswirkung für das Folgeänderungsverfahren abgesprochen wird.
Normenkette
§ 40 Abs. 2, § 60 Abs. 3, § 123 Abs. 1 S. 2 FGO, § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 174 Abs. 4 und 5 AO, § 359 Nr. 2, § 360 Abs. 1 und 4, § 367 Abs. 2 S. 3, § 366 AO
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige A behauptete, dem Steuerpflichtigen B Provisionen bar gezahlt zu haben, was B bestritt. Die Behauptung des A nahm das FA zum Anlass, bei B dessen gewerbliche Einkünfte zu erhöhen, wogegen B sich mit einem Einspruch wandte. Zum Einspruchsverfahren wurde A gem. § 174 Abs. 5 AO hinzugezogen. Der Einspruch des B hatte Erfolg; das FA stellte fest, B habe kein Bargeld von A erhalten. Die Einspruchsentscheidung wurde A bekannt gegeben, der dagegen wiederum Klage erhob.
Das FG wies die Klage des A als unzulässig ab, weil die Abhilfeentscheidung zugunsten des B dem hinzugezogenen A gegenüber keine Bindungswirkung entfalte (FG München, Außensenate Augsburg, Urteil vom 22.06.2005, 10 K 4445/03, Haufe-Index 1408395, EFG 2005, 1509).
Gegen dieses Urteil wendete sich nicht A, sondern das FA, das der Auffassung war, auch der hinzugezogene A sei an seine Entscheidung, dem Einspruch des B abzuhelfen, weil B kein Bargeld von A erhalten habe, gebunden.
Entscheidung
Der BFH sah dies genauso. Er hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Hinweis
Dieses Urteil enthält interessante verfahrensrechtliche Aspekte, die sich in einem Dreiecksverhältnis zwischen dem veranlagenden FA und zwei Steuerpflichtigen, bei denen nicht klar ist, ob ein bestimmter Sachverhalt verwirklicht wurde, ergeben können. Dabei stellen sich die Fragen, wer bei einer solchen Konstellation beizuladen ist und welche verfahrensrechtlichen Konsequenzen sich für den Beigeladenen und das FA hieraus ergeben können.
1. Nach § 174 Abs. 5 AO kann ein Dritter durch die Finanzbehörde zum Einspruchsverfahren hinzugezogen werden. Der hinzugezogene Dritte erlangt im Einspruchsverfahren dann die Stellung eines Verfahrensbeteiligten (§ 359 Nr. 2, § 360 Abs. 1 und 4 AO).
2. Weder die Hinzuziehung als solche noch die unterbliebene Hinzuziehung begründen jedoch für sich betrachtet die Klagebefugnis des Hinzugezogenen. Eine Klagebefugnis des Hinzugezogenen i.S.d. § 40 Abs. 2 FGO wird aber nach allgemeiner Ansicht bejaht, wenn eine materiell-rechtliche Beschwer aufgrund der Bindungswirkung der Entscheidung der Finanzbehörde zu seinen Lasten und seine formelle Beschwer (wegen zurückgewiesener eigener Anträge im Einspruchsverfahren) vorliegen.
3. Ändert das FA in einem Verfahren, zu dem der Dritte hinzugezogen wurde, den gegenüber dem Steuerpflichtigen ergangenen Steuerbescheid, dann hat dies grundsätzlich zur Folge, dass damit auch in verbindlicher Weise gegenüber dem Hinzugezogenen entschieden wurde, welche die diesem gegenüber zu ziehenden "richtigen steuerlichen Folgen" gem. § 174 Abs. 4 und 5 AO sind.
4. Der Hinzugezogene kann dann gegen diese Bindungswirkung, die eine bestandskräftige und ihm bekannt gegebene Einspruchsentscheidung ihm gegenüber hat, mit der Klage vorgehen.
5. Ausnahmsweise entfaltet die finanzbehördliche Entscheidung dem Hinzugezogenen gegenüber dann keine Bindungswirkung, wenn eine hinreichende "Beteiligung" des Hinzugezogenen i.S.d. § 174 Abs. 5 AO im Ausgangsverfahren nicht gegeben ist. War nach der ständigen Rechtsprechung des BFH der Hinzugezogene im Einspruchsverfahren nicht in der Lage, sich rechtliches Gehör zu verschaffen und auf das Verfahren einzuwirken, ist der Eintritt der materiellen Bindungswirkung zu seinen Lasten nicht gerechtfertigt.
Entscheidet die Finanzbehörde durch einen Abhilfebescheid statt durch Einspruchsentscheidung (§ 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 367 Abs. 2 S. 3 AO), ist die ausreichende verfahrensrechtliche Beteiligung des Hinzugezogenen nur gewährleistet, wenn der Hinzugezogene der Änderung zugestimmt oder sie beantragt hat. Ist dies nicht der Fall, tritt auch keine Bindungswirkung zu seinen Lasten ein (ständige Rechtsprechung).
6. In dem vorliegenden Urteil wendet der BFH diese Grundsätze entsprechend an und stellt entscheidend für der Beurteilung der materiellen Bindungswirkung darauf ab, ob als Grundlage für eine materielle Bindungswirkung der abschließenden Entscheidung im Ausgangsverfahren zul...