Leitsatz
1. Die Frage, ob ein im Steuerbescheid der Höhe nach bindend ermittelter Altersentlastungsbetrag nach § 24a des Einkommensteuergesetzes verlusterhöhend wirkt, ist grundsätzlich im Rahmen der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zu entscheiden (vgl. Senatsurteil vom 30.06.2020 – IX R 3/19, BFHE 269, 314, BStBl II 2021, 859).
2. Dies gilt jedoch nicht, wenn in Höhe des geltend gemachten Verlustes ein Verlustrücktrag begehrt wird. Über Grund und Höhe des Verlustrücktrags ist ausschließlich im Rahmen der Steuerfestsetzung des Rücktragsjahres zu entscheiden.
Normenkette
§ 40 Abs. 2, § 67, § 68 FGO, § 10d, § 24a EStG
Sachverhalt
Die Beteiligten stritten darüber, ob der Altersentlastungsbetrag nach § 24a EStG bei der Berechnung des nach § 10d Abs. 4 Satz 2 EStG verbleibenden Verlustvortrags verlusterhöhend zu berücksichtigen ist.
Der Kläger erzielte im Streitjahr 2017 neben verschiedenen positiven Einkünften Veräußerungsverluste nach § 17 EStG. Das FA setzte die ESt zunächst ohne Berücksichtigung der Veräußerungsverluste fest. Hiergegen wandte sich der Kläger mit Einspruch und Untätigkeitsklage. Während des Einspruchs- und Klageverfahrens änderte das FA mehrfach die ESt-Festsetzung und setzte zuletzt ESt i.H.v. 0 EUR fest. Hierbei berücksichtigte es antragsgemäß den Veräußerungsverlust nach § 17 EStG i.H.v. 78.867 EUR und errechnete die Summe der Einkünfte mit 25.194 EUR. Den Gesamtbetrag der Einkünfte ermittelte das FA unter Abzug des Altersentlastungsbetrags von 1.824 EUR und errechnete einen Betrag i.H.v. 27.018 EUR.
Während des Klageverfahrens erging ein Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur ESt zum 31.12.2017. Darin stellte das FA erstmals einen verbleibenden Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 EStG i.H.v. 194 EUR fest. Hierbei berücksichtigte es verbleibende negative Einkünfte i.H.v. 25.194 EUR und einen Verlustrücktrag nach 2016 i.H.v. 25.000 EUR. Den Altersentlastungsbetrag nach § 24a EStG i.H.v. 1.824 EUR bezog es nicht mit ein.
Im weiteren Verlauf des Verfahrens erklärten der Kläger und das FA übereinstimmend den Rechtsstreit hinsichtlich der ESt für 2017 in der Hauptsache für erledigt. Der Kläger wandte sich nunmehr gegen die Außerachtlassung des Altersentlastungsbetrags im Feststellungsbescheid. Der Verlust sei unter Berücksichtigung des Altersentlastungsbetrags i.H.v. 27.078 EUR nach 2016 zurückzutragen und der verbleibende Verlustvortrag mit 0 EUR festzustellen.
Das FG gab der Klage statt (Thüringer FG, Urteil vom 26.4.2022, 4 K 510/20, Haufe-Index 15547965, EFG 2023, 395). Es änderte den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur ESt zum 31.12.2017 dahin gehend, dass die verbleibenden negativen Einkünfte zum 31.12.2017 27.078 EUR betragen, der Verlustrücktrag nach 2016 27.078 EUR beträgt und der verbleibende Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 EStG auf 0 EUR festgestellt wird.
Entscheidung
Auf die Revision des FA hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und die Klage als unzulässig abgewiesen.
Hinweis
In der Vorinstanz stritt man sich im Kern um die Berücksichtigung des Altersentlastungsbetrags nach § 24a EStG, übersah allerdings, dass die Klage bereits unzulässig war, weil sie sich letztlich gegen den falschen Bescheid richtete.
Im Streitfall ging es – einmal mehr – um das Verhältnis zwischen ESt- und Verlustfeststellungsbescheid.
1. Gemäß § 40 Abs. 2 FGO ist eine Anfechtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend machen kann, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies ist bei der Anfechtung eines Verlustfeststellungsbescheids mit dem Ziel, den festgestellten vortragsfähigen Verlust herabzusetzen, grundsätzlich nicht möglich, da damit eine Verböserung (in Form der Kürzung des Verlustvortrags) geltend gemacht wird.
Etwas anderes kommt nur in Betracht, wenn sich der Bescheid für den Kläger deshalb nachteilig auswirkt, weil in ihm angesetzte Besteuerungsgrundlagen im Rahmen anderer Verfahren verbindliche Entscheidungsvorgaben liefern. Solche Auswirkungen lagen im Streitfall allerdings nicht vor.
2. Im Grunde ging es dem Kläger darum, einen höheren Verlustrücktrag zu erreichen. Nach ständiger Rechtsprechung wird jedoch über Grund und Höhe des Verlustrücktrags ausschließlich im Rahmen der Veranlagung des Rücktragsjahres und nicht in dem ESt-Bescheid oder dem Verlustfeststellungsbescheid des Verlustentstehungsjahres entschieden.
3. Der Streit, ob ein Altersentlastungsbetrag den Verlustabzug erhöht, wäre somit im ESt-Verfahren des Verlustrücktragsjahres (also 2016) zu führen gewesen. Das hatten die Beteiligten, das FG und auch das beigetretene BMF übersehen. Ob der Kläger dies noch nachholen kann, entzog sich der Kenntnis des BFH.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.1.2024 – IX R 7/22