Leitsatz
1. Die Festsetzungsfrist für einen LSt-Haftungsbescheid endet nicht vor Ablauf der Festsetzungsfrist für die LSt (§ 191 Abs. 3 S. 4 1. Halbsatz AO).
2. Der Beginn der Festsetzungsfrist für die LSt richtet sich nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO.
3. Für den Beginn der die LSt betreffenden Festsetzungsfrist ist die LSt-Anmeldung (Steueranmeldung) und nicht die ESt-Erklärung der betroffenen Arbeitnehmer maßgebend.
Normenkette
§ 38, § 41a, § 42d EStG, § 170, § 191 AO
Sachverhalt
Die Klägerin, eine juristische Person nach niederländischem Recht, hat ihren Sitz in den Niederlanden. Sie ist eine Tochtergesellschaft der D in S, die alle Anteile an der Klägerin hält.
Bei einer LSt-Außenprüfung stellte das FA fest, dass die Klägerin im Prüfungszeitraum (1990) ausländische und deutsche Arbeitnehmer beschäftigt hatte; lohnsteuerliche Konsequenzen waren nur für die Arbeitnehmer mit Wohnsitz und Tätigkeit im Inland gezogen worden. Das FA erließ deshalb im März 1995 einen LSt-Haftungsbescheid.
Das FG (FG des Saarlandes vom 04.03.2004 2 K 269/00, Haufe-Index 1148011) hob den LSt-Haftungsbescheid auf. Bei der Haftung für die LSt 1990 sei Festsetzungsverjährung eingetreten.
Entscheidung
Die erfolgreiche Revision des FA führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das FG. Dieses habe zu Unrecht auf die ESt-Schuld der betroffenen Arbeitnehmer abgestellt und nicht auf die LSt-Schuld. Auch wenn die LSt eine besondere Erhebungsform der ESt sei, müsse gleichwohl zwischen LSt-Schuld und ESt-Schuld unterschieden werden. Weder entstünden und verjährten LSt- und ESt-Schuld gleichzeitig noch deckten sie sich betragsmäßig.
Ob der Arbeitnehmer überhaupt ESt schulde (z.B. weil er anderweitige Verluste habe), sei unabhängig von einer etwaigen LSt-Schuld. Deshalb sei im Zusammenhang mit der LSt auch nicht von Bedeutung, ob und wann der Arbeitnehmer eine ESt-Erklärung abzugeben habe oder tatsächlich abgebe. Folglich sei hinsichtlich der Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO auch nicht darauf abzustellen, ob eine ESt-Erklärung abzugeben war. Maßgeblich sei vielmehr, ob und ggf. wann die Klägerin LSt-Anmeldungen für die im Streitfall betroffenen LSt-Anmeldungszeiträume abgegeben habe. Die vom FG bisher getroffenen Feststellungen reichten nicht aus, um den Beginn der steuerlichen Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO zu bestimmen.
Hinweis
1. Die Besprechungsentscheidung enthält einen wichtigen Beitrag zum Verhältnis von LSt-Ansprüchen und entsprechenden Haftungsansprüchen; sie stellt insbesondere klar, dass die Festsetzungsfrist für einen Haftungsbescheidnicht vor Ablauf der Festsetzungsfrist der Steuer (hier der LSt) abläuft, für die gehaftet wird.
2. Ist die Abgabe einer Steueranmeldung vorgeschrieben (wie bei der LSt – vgl. § 41a EStG), beginnt die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steueranmeldung beim FA abgegeben wird (§ 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO). Bei der LSt ist es ohne Belang, dass die LSt-Anmeldung vom Arbeitgeber (als dem Entrichtungsschuldner) und nicht vom Arbeitnehmer als dem Schuldner der LSt (§ 38 Abs. 2 S. 1 EStG) abzugeben ist.
Werden LSt-Anmeldungen am 10. Tag des Folgemonats abgegeben (vgl. § 41a Abs. 1 S. 1 EStG), beginnt hinsichtlich der LSt die Festsetzungsfrist für Lohnzuflüsse der Monate Januar bis November mit Ablauf des Zuflussjahrs und für Dezember mit Ablauf des Folgejahrs (vgl. auch BFH, Urteil vom 07.02.2008, VI R 83/04, BFH/PR 2008, 324). Insoweit deckt sich der Beginn der steuerlichen Festsetzungsfrist mit dem Beginn der Festsetzungsfrist für einen LSt-Haftungsbescheid.
Werden keine LSt-Anmeldungen abgegeben, so beginnt die steuerliche Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die LSt entstanden, d.h. der Arbeitslohn zugeflossen ist (§ 38 Abs. 2 S. 2 EStG). Gem. § 191 Abs. 3 S. 4 1. Halbsatz AO wirkt sich diese Anlaufhemmung nach § 170 AO auch auf den Ablauf der Festsetzungsfrist für einen entsprechenden Haftungsbescheid aus.
3. Zutreffend hebt das BFH-Urteil – entgegen der Auffassung des FG – hervor, dass es für die Verjährung der LSt-Haftung grundsätzlich nicht auf die Verjährung der ESt-Ansprüche des/der Arbeitnehmer ankommt; entscheidend ist, ob und wann der Arbeitgeber die LSt-Anmeldung abgegeben hat. Dessen ungeachtet kann allerdings ein Haftungsbescheid nach § 191 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 AO nicht mehr ergehen, soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 06.03.2008, VI R 5/05