Dr. Gerlind Wendt, Michael Wendt
Leitsatz
Veräußert ein Landwirt seine gesamten Zuckerrübenlieferrechte, weil er infolge der Ausweisung seiner rübenfähigen Flächen als Wasserschutzgebiet den Zuckerrübenanbau wirtschaftlich nicht mehr für möglich hält, so stellt der erzielte Erlös keine Entschädigung i.S.v. § 24 Nr. 1 Buchst. a und b EStG dar.
Normenkette
§ 13 EStG , § 24 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Der Kläger bewirtschaftete eine Staatsdomäne und baute u.a. Zuckerrüben an. Nachdem ein neues Wasserschutzgebiet ausgewiesen worden war, das auch die rübenfähigen Flächen betraf, erschien dem Kläger der Zuckerrübenanbau wegen des Verbots von Spritzmitteln nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll. Der Forderung nach einer Senkung des Pachtzinses entsprach die Domänenverwaltung des Landes nicht. Man einigte sich aber zunächst darauf, dass die Zuckerrübenlieferrechte an die Domänenverwaltung verkauft werden sollten, um sie dann auf eine andere Domäne zu übertragen. Bei Bedarf sollte der Kläger die Lieferrechte zurückerwerben können.
Der Kläger sah den Erlös aus dem Verkauf der Lieferrechte als Entschädigung gem. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG an. FA und FG waren anderer Meinung und behandelten den Betrag als laufenden Gewinn.
Entscheidung
Auch der BFH war dieser Auffassung. Eine Entschädigung für künftig entfallende Einnahmen liege nicht vor, weil nicht Schadenersatzansprüche ausgeglichen, sondern ein Kaufpreis für die Übertragung von Lieferrechten geleistet werden sollte. Ebenso wenig handele es sich um eine Entschädigung für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG. Denn die Zahlung sei nicht im Interesse der Domänenverwaltung erfolgt.
Hinweis
1. Zu denaußerordentlichen Einkünften und damit zu den jetzt durch die Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 EStG tarifbegünstigten Einkünften gehören u.a. Entschädigungen i.S.d. § 24 Nr. 1 EStG. Diese setzen sich aus drei Fallgruppenzusammen, von denen im Besprechungsfall die beiden ersten angesprochen sind: Entschädigungen als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen (Buchst. a) und Entschädigungen für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit (Buchst. b Alt. 1).
2. Eine Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG kann nach der Rechtsprechung des BFH nur vorliegen, wenn die Leistung nicht als Erfüllung des Rechtsverhältnisses anzusehen ist, aus dem der Steuerpflichtige die jetzt wegfallenden Einnahmen ansonsten erzielt hätte. Verlangt wird vielmehr eine neue "Rechts- oder Billigkeitsgrundlage". Die Abgrenzung zwischen alter und neuer Rechtsgrundlage bereitet aber insofern Schwierigkeiten, als oft Ansprüche aus dem alten Rechtsverhältnis abgelöst werden, indem ein neues Rechtsverhältnis begründet wird. Hier wird man eine Unterscheidung wohl nur danach treffen können, ob die Zahlung eine Verschlechterung der bisherigen Erfüllungsansprüche ausgleichen soll oder ob Erfüllungsansprüche ausgetauscht oder kapitalisiert werden.
Im Besprechungsfall hatte der Kläger den Erlös aus dem Verkauf der Lieferrechte als Ersatz für die verminderten Gewinnaussichten durch Beeinträchtigung des Zuckerrübenanbaus angesehen. Damit konnte er schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Zahlung Gegenleistung für die Übertragung eines Wirtschaftsguts war, was nicht als Ersatz eines Schadens wegen Einnahmeausfalls zu beurteilen ist. Hinzu kam, dass Kläger und Domänenverwaltung ihren Streit über die Berechtigung von Schadenersatzansprüchen ausdrücklich nicht beigelegt hatten. Deutlicher konnte man gar nicht machen, dass kein Schadenersatz geleistet werden sollte.
3. Im Fall einer Entschädigung für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit i.S.d.Buchst. b betrifft die Entschädigung nicht ein früheres Rechtsverhältnis, sondern wird aufgrund eines neuen und in die Zukunft gerichteten Rechtsverhältnisses gezahlt. Dieses richtet sich ganz oder teilweise auf das Unterlassen einer bestimmten einkunftserzielenden Tätigkeit des Zahlungsempfängers, "für" das die Entschädigung gezahlt wird. Nicht eine kausale, sondern eine finale Leistungsbeziehung muss danach bestehen. Deshalb kann eine Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG nur vorliegen, wenn der Zahlende ein eigenes wirtschaftliches Interesse daran hat, dass der Zahlungsempfänger eine bestimmte Tätigkeit unterlässt.
Diese Voraussetzung ist im Grund nur in Fällen einesWettbewerbsverbots erfüllt, das nach der neueren Rechtsprechung des BFH immer unter § 24 EStG subsumiert worden ist.Beachten Sie aber, dass beim BFH ein Verfahren anhängig ist (IX R 76/99), in dem diese Frage nach einer abweichenden Entscheidung des niedersächsischen FG erneut zur Entscheidung ansteht. Die dortige Entschädigung steht im Zusammenhang mit dem Verkauf von GmbH-Anteilen, was deutlich macht, dass die Behandlung als Entschädigung i.S.d. § 24 EStG nicht nur Bedeutung für den ermäßigten Steuersatz, sondern auch für die hälftige Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 EStG haben kann (vgl. Schmidt/Seeger, EStG, 21. Aufl. 2002, § 24 Rz. 15).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 28.2.2002, IV R ...