Leitsatz
1. Überwiegend neues Betriebsvermögen i.S.d. § 8 Abs. 4 S. 2 KStG 2002 liegt vor, wenn das zugegangene Aktivvermögen das vorher vorhandene Restaktivvermögen übersteigt. Das zugeführte und das bisherige Aktivvermögen sind jeweils mit dem Teilwert anzusetzen. In die Vergleichsrechnung sind auch immaterielle Wirtschaftsgüter einzubeziehen.
2. Werden Tochterunternehmen im Zusammenhang mit einem Anteilswechsel von mehr als 50 % auf ihre Muttergesellschaft verschmolzen, fehlt es regelmäßig am erforderlichen sachlichen Zusammenhang zwischen dem Anteilswechsel und der Zuführung neuen Betriebsvermögens.
Normenkette
§ 8 Abs. 4 KStG 2002
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine AG, die 1999 gegründet wurde. Aktionäre waren zunächst fünf natürliche Personen. Gegenstand des Unternehmens war bis zum 22.08.2002 (Streitjahr) u.a. die Beteiligung an Blutbanken sowie Laborgesellschaften. Die Klägerin hielt im Jahr 2001 fünf entsprechende Beteiligungen zu 100 % und eine zu 52 %.
Mit Verträgen vom Dezember 2001 und vom Januar 2002 erwarb die L-GmbH sämtliche Aktien der Klägerin (zunächst 16,67 %). Gesellschafter der L-GmbH waren A und B. Im Juli 2002 gab die Klägerin eine Verlustübernahmeerklärung gegenüber ihren Tochtergesellschaften ab. Mit Vertrag vom 21.08.2002 wurde die L-GmbH auf die Klägerin rückwirkend zum 01.01.2002 verschmolzen. Am selben Tag wurden die vier Tochtergesellschaften der Klägerin, an denen sie jeweils zu 100 % beteiligt war, auf diese verschmolzen. Im Jahr 2002 erwarb die Klägerin eine weitere 100 %ige Beteiligung an einem Blutspendezentrum durch Verschmelzung. Nach der Verschmelzung waren Aktionäre der Klägerin A zu 90,12 % und B zu 9,88 %.
Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 21.08.2002 wurde der Gegenstand des Unternehmens geändert.
Die Klägerin hatte in ihrer Bilanz zum 31.12.2001 ein Aktivvermögen von 121 000 DM ausgewiesen, die Umsätze betrugen 490 000 DM. Der Konzern (Klägerin einschließlich ihrer Tochterunternehmen) verfügte über ein Aktivvermögen von 10 325 000 DM. Ausweislich des Jahresabschlusses 2002 ist der Klägerin durch die Verschmelzung mit der L-GmbH und ihren Tochtergesellschaften Aktivvermögen von 6 705 000 EUR und Passivvermögen von 9 533 000 EUR zugeführt worden. Im Rahmen der Verschmelzung ist ein Verschmelzungsverlust von 2 596 000 EUR entstanden. Von der L-GmbH ist der Klägerin Aktivvermögen von 3 148 000 EUR in Form von Anlagevermögen zugeführt worden; im Verlauf des Jahres 2002 gelangten weitere 963 000 EUR in Form von technischen Anlagen sowie Betriebs- und Geschäftsausstattung im Bereich der L-GmbH an die Klägerin. Die Klägerin erzielte im Jahr 2002 Umsatzerlöse von 31 481 000 EUR. Sie beschäftigte 276 Mitarbeiter.
Das FA versagte gem. § 8 Abs. 4 KStG a.F. den Abzug des zum 31.12.2001 für die Klägerin festgestellten Verlustvortrags.
Die dagegen gerichtete Klage wies das FG ab (Sächsisches FG, Urteil vom 18.06.2009, 2 K 783/08, Haufe-Index 2288209, EFG 2010, 1528).
Entscheidung
Der BFH hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Es bedürfe weiterer Sachaufklärung, insbesondere zu den Teilwerten der übergegangenen Wirtschaftsgüter, aber auch zu dessen Berücksichtigungsfähigkeit im Rahmen der für § 8 Abs. 4 KStG anzustellenden Vergleichsbetrachtung.
Hinweis
1. Immer noch sind diverse Klage- und Revisionsverfahren zur alten sog. Mantelkaufregelung des § 8 Abs. 4 KStG a.F. anhängig.
Diese Vorschrift wurde zwischenzeitlich zwar von § 8c KStG n.F. abgelöst (durch das JStG 2008 und mit Wirkung vom 01.01.2008 an). Die Altregelung des § 8 Abs. 4 KStG wirkt aber noch eine Weile fort. Die Übergangszeit betrifft alle Sachverhalte, in denen noch in 2007 Anteile übertragen wurden und in dem im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang dazu in der Folgezeit neues Betriebsvermögen zugeführt wird.
2. Nach dem Regelbeispiel des § 8 Abs. 4 S. 2 KStGfehlt einer Kapitalgesellschaft die wirtschaftliche Identität, wenn (1.) bezogen auf das gezeichnete Kapital mehr als die Hälfte der Geschäftsanteile übertragen werden, (2.) überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt und (3.) der Geschäftsbetrieb mit diesem neuen Betriebsvermögen fortgeführt oder wieder aufgenommen wird.
Vor allem um das 2. dieser Merkmale ging es (einmal mehr) im aktuellen Urteilsfall. Nach der Rechtsprechung des BFH (s. z.B. BFH, Urteil vom 05.06.2007, I R 106/05, BFH/NV 2007, 2200, BFH/PR 2007, 460; Urteil vom 05.06.2007, I R 9/06, BFH/NV 2008, 166, BFH/PR 2008, 18) muss die Betriebsvermögensneuzuführung den Bestand des vor der Zuführung vorhandenen Restaktivvermögens übersteigen, wobei es auf die gegenständliche Zuführung und deren Teilwerte ankommt. Ob das neue Aktivvermögen unter Verrechnung von Zugängen und Abgängen im betragsmäßigen Saldo höher als das ursprüngliche Aktivvermögen ist, ist ebenso unbeachtlich wie dies das Verhältnis der Buchwerte zueinander ist.
Die Finanzverwaltung wendet diese ständige und gefestigte Rechtsprechung zwischenzeitlich und nach langen Jahren des Zögerns an (vgl. BMF-S...