3.1 Gewährung von Amts wegen – Antrag auf Wahlrecht
Rz. 55
Der Verlustabzug (Verlustrücktrag und Verlustvortrag) wird grundsätzlich von Amts wegen gewährt.
Abweichend hiervon kann der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme des § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG ganz oder teilweise verzichten, soweit Verluste ab VZ 1994 nicht ausgeglichen werden können (Rz. 57). Zur Ausübung dieses Wahlrechts muss er einen Antrag stellen, ob und inwieweit er den Verlustrücktrag ausüben will bzw. ob er auf den Verlustrücktrag verzichtet und allein den Verlustvortrag wählt.
Stellt der Steuerpflichtige keinen Antrag, wird der Verlust nach § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG von Amts wegen berücksichtigt.
Der Antrag kann bis zur Bestandskraft des betreffenden ESt-Bescheids gestellt werden (Rz. 42), ggfs. noch im Klagverfahren. Wird der ESt-Bescheid des Rücktragsjahrs gem. § 10d Abs. 1 Satz 3 EStG geändert, weil sich die Höhe des Verlusts im Entstehungsjahr ändert, kann das Wahlrecht begrenzt auf den Erhöhungsbetrag neu ausgeübt werden.
Rz. 56
Ein Arbeitnehmer muss zur Berücksichtigung eines Verlustabzugs nach § 10d EStG einen Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG stellen, sofern er nicht aus anderen Gründen zur ESt veranlagt wird. Der Antrag auf Veranlagung ist durch Abgabe einer Steuererklärung zu stellen, § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG.
Rz. 57
Durch das JStG 2008 vom 20.12.2007 ist die bisherige Zwei-Jahresfrist zur Abgabe der Steuererklärung rückwirkend ab VZ 2005 gestrichen worden, § 52 Abs. 55j Satz 2 EStG a.F. Für VZ bis einschließlich 2004 ist die Frist weiter zu beachten, sofern am 28.12.2007 über einen Antrag auf Veranlagung noch nicht bestandskräftig entschieden war.
Erfolgt für einen VZ keine Veranlagung, kann der in diesem VZ berücksichtigungsfähige Verlustabzug nicht in einem anderen VZ geltend gemacht werden. Für den VZ der Verlustentstehung erfolgt jedoch keine Minderung des verbleibenden Verlustvortrags, soweit der Arbeitnehmer nach § 10d EStG Abs. 1 Satz 4 EStG auf den Verlustrücktrag verzichtet hat.
3.2 Verfahrensmäßige Berücksichtigung des Verlustabzuges
Rz. 58
Liegt für das Rücktragsjahr noch kein Steuerbescheid vor, ist der Verlustabzug ohne Weiteres bei der erstmaligen Veranlagung vorzunehmen, wenn materiell-rechtlich ein Verlust abzuziehen ist, dessen Berücksichtigung vorher nicht möglich war, oder wenn der Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen ist.
Rz. 59
Ist für den vorangegangenen VZ bereits ein Steuerbescheid erlassen worden, ist er insoweit zu ändern, als der Verlustabzug zu gewähren oder zu ändern ist, § 10d Abs. 1 Satz 3 EStG. Das gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid bereits bestandskräftig ist, § 10d Abs. 1 Satz 4 1. Halbsatz EStG. § 10d Abs. 1 Satz 3 EStG ist eine eigenständige Änderungsvorschrift, die den Änderungsvorschriften der AO vorgeht. Änderbar ist daher jeder bereits erlassene ESt-Bescheid, ob er unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 AO steht, vorläufig nach § 165 AO ist oder sonst gar nicht mehr änderbar wäre.
Rz. 60
Die Änderung bewirkt eine Durchbrechung der Bestandskraft der Höhe nach, sodass innerhalb des durch die Gewährung des Verlustabzugs eröffneten punktuellen Änderungsrahmens materielle Fehler gem. § 177 AO zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden können, zugunsten aber nur, soweit andere materielle Fehler zuungunsten den Verlustabzug schmälern würden. Der Umfang des Änderungsrahmens bestimmt sich nach der steuermindernden Wirkung, die einträte, wenn zusätzlich zu den bisher ermittelten Besteuerungsgrundlagen der Verlustabzug berücksichtigt würde.
Eine Kompensation materieller Fehler ist selbst dann noch zulässig, wenn wegen des dem materiellen Fehler zugrunde liegenden Sachverhalts bereits Verjährung eingetreten ist.
Rz. 61
Im Rahmen der Änderung nach § 10d EStG können auch bereits ausgeübte Wahlrechte wie Zusammenveranlagung oder Sonderabschreibungen und Anträge erneuert werden. Das gilt bei Änderung des Veranlagungswahlrechts für Ehegatten oder Lebenspartner ohne Beschränkung auf den Änderungsrahmen.
Die Änderung des Veranlagungswahlrechts setzt aber voraus, dass der Änderungsbescheid bestehen bleibt. Wird der die Wahl einer anderen Veranlagungsform ermöglichende Änderungsbescheid wieder aufgehoben, so wird damit die Ausübung des Wahlrechts gegenstandslos.
Rz. 62
Ein etwaiger Änderungsbescheid ist in den Grenzen der Änderung mit jeder Begründung anfechtbar, § 351 Abs. 2 AO.
Rz. 63
Nach § 10d Abs. 1 Satz 3 EStG kann auch ein bereits durchgeführter Verlustrücktrag wieder geändert werden, wenn sich bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte des Verlustjahres Änderungen ergeben, die zu einem höheren oder niedrigeren Verlustrücktrag führen. Da § 10d EStG eine von den Vorschriften der AO unabhängige selbstständige Änderungsvorschrift ist, ist die Änderungsmöglichkeit nicht nur gegeben, wenn sich z. B. aufgrund neuer Tatsachen herausstellt, dass der Verlust im Verlustjahr in andere...