Leitsatz
Bei der Ermittlung der Höhe des verrechenbaren Verlustes des Kommanditisten gemäß § 15a des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind dessen im Verlustentstehungsjahr erbrachte Einlagen auch dann in voller Höhe zu berücksichtigen, wenn die Mittel hierfür bei wirtschaftlicher Betrachtung aus Entnahmen stammen, die der Kommanditist in Vorjahren –über die von ihm erbrachten Einlagen hinaus– getätigt hat und die wegen § 15a Abs. 3 Satz 2 EStG nicht zu einer Gewinnhinzurechnung geführt haben. Eine Minderung der Einlagen um einen (negativen) außerbilanziellen Korrekturposten "Rückführung Mehrentnahmen" kommt nicht in Betracht.
Normenkette
§ 15a Abs. 1, 3 und 4 EStG, § 42 AO
Sachverhalt
Der Kläger ist Kommanditist einer KG. Für das Streitjahr 2016 begehrte er die Beseitigung der Feststellung von (nur) verrechenbaren Verlusten nach § 15a Abs. 4 EStG, da er die in diesem Jahr entstandenen Verluste aufgrund einer im Jahr 2016 erbrachten Einlage auszugleichen suchte.
Das FA lehnte dies ab, da der Kläger in den vorangegangenen Jahren 2014 und 2015 Entnahmen getätigt hatte. Verluste waren in diesen Jahren 2014 und 2015 nicht entstanden. Von der im Streitjahr 2016 erbrachten Einlage zog das FA die in einem Korrekturposten "Rückführung Mehrentnahmen" aufgeführten Entnahmen aus den Vorjahren bei der Bestimmung des Kapitalkontos ab.
Das FG gab der Klage in diesem Punkt statt (FG Münster, Gerichtsbescheid vom 13.4.2022, 13 K 141/20 F, Haufe-Index 15203220).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des FA, der auch das BMF beigetreten war, zurück. Die Entscheidung des FG wurde bestätigt. Danach war ein Ausgleich statt einer Verrechnung der eingetretenen Verluste für den Kommanditisten zulässig. Die im Jahr der Verlustentstehung geleistete Einlage sei bei der Bestimmung des Kapitalkontos zu berücksichtigen. Dies gelte auch dann, wenn in Vorjahren Mehrentnahmen durch den Kommanditisten erfolgt seien. Eine Übertragung der Regelung für eine Gewinnhinzurechnung bei Einlagenrückgewähr sei nicht geboten. Einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten habe das FG im Streitfall beanstandungsfrei verneint.
Hinweis
1. Ob ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht und ein Verlust deshalb nach § 15a Abs. 1 EStG nur verrechenbar ist, bestimmt sich durch einen Vergleich des Kapitalkontenstands am Ende des Wirtschaftsjahres der Verlustentstehung mit demjenigen am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres (sog. Prinzip des stichtagsbezogenen Kapitalkontenvergleichs).
2. Es ist unzulässig, bei der Bestimmung der im Jahr der Verlustentstehung geleisteten Einlagen Mehrentnahmen aus Vorjahren in Abzug zu bringen. Dies gilt auch dann, wenn diese Entnahmen mangels Auftretens von Verlusten in diesen Jahren keine Auswirkungen auf die Verlustverrechnung hatten.
3. Eine Gewinnhinzurechnung ist nach § 15a Abs. 3 EStG dann vorzunehmen, wenn eine Einlage- oder eine Haftungsminderung vorgenommen wird. Begrenzt wird dies dem Grunde und der Höhe nach jedoch dadurch, dass dies nur bei einem in der Vergangenheit tatsächlich in Anspruch genommenem Verlustausgleich gilt.
4. Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten durch rechtsmissbräuchliche Ausnutzung des geltenden Grundsatzes des stichtagsbezogenen Kapitalkontenvergleichs nach § 15a Abs. 1 EStG und die Vornahme gegenläufiger Entnahmen und Einlagen in zeitlicher Nähe zum Jahreswechsel ist denkbar, muss jedoch im Einzelfall festgestellt werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 10.10.2024 – IV R 10/22