Gewinnhinzurechnung gemäß § 15a Abs. 3 EStG

Hintergrund: Gesetzliche Regelung
Gemäß § 15a Abs. 3 EStG ist, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten durch Entnahmen entsteht oder sich erhöht (Einlageminderung) und soweit nicht auf Grund der Entnahmen eine nach Absatz 1 Satz 2 zu berücksichtigende Haftung besteht oder entsteht, dem Kommanditisten der Betrag der Einlageminderung als Gewinn zuzurechnen.
Sachverhalt: Gewinnzurechnung von Teilen einer Entnahme gem. § 15a Abs. 3 EStG
Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Gewinnhinzurechnung gemäß § 15a Abs. 3 EStG im Streitjahr 2016.
Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG. Alleinige Kommanditistin war seit 31.12.2009 die A-GmbH & Co. KG (Beigeladene). Die im Handelsregister eingetragene Haftsumme betrug zu diesem Zeitpunkt 1.000 EUR. Die Einlage wurde in 2010 um 629.000 EUR und um 434.000 E erhöht und betrug im Streitjahr 1.064.000 EUR.
In der Feststellungserklärung 2016 wies die Klägerin Entnahmen der Beigeladenen in Höhe von 600.026,48 EUR aus.
Mit Gewinnfeststellungsbescheid 2016 stellte das Finanzamt (FA) einen laufenden Gesamthandsgewinn in Höhe von 86.326,11 EUR und für die Beigeladene einen Hinzurechnungsbetrag nach § 15a Abs. 3 EStG in Höhe von 259.068,69 EUR (fiktiver Gewinn) fest. In dem mit diesem Gewinnfeststellungsbescheid verbundenen Verlustfeststellungsbescheid wurde für die Beigeladene – unter Berücksichtigung des Hinzurechnungsbetrags – der verrechenbare Verlust in Höhe von 193.299,58 EUR festgestellt.
Den hiergegen gerichteten Einspruch begründete die Klägerin damit, dass bei der Berechnung des Hinzurechnungsbetrags nach § 15a Abs. 3 EStG der im Wirtschaftsjahr zum Ausgleich verwendbare Betrag der Außenhaftung nicht berücksichtigt worden sei.
In der Einspruchsentscheidung stellte das FA daraufhin einen Hinzurechnungsbetrag nach § 15a Abs. 3 EStG in Höhe von 213.560,10 EUR und einen verrechenbaren Verlust im Sinne des § 15a EStG in Höhe von 147.790,99 EUR fest. Im Übrigen wies es den Einspruch als unbegründet zurück.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG sei teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass die Gewinnhinzurechnung nicht nur ausgeschlossen sei, soweit auf Grund der Entnahmen eine nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG zu berücksichtigende Haftung bestehe oder entstehe, sondern auch, soweit eine Haftung nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG i.V.m. § 171 Abs. 1 HGB generell bestehe.
Entscheidung: BFH bestätigt die Auffassung der Vorinstanz
Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen.
Keine Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG
- Für die Beigeladene ist im Streitjahr keine Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG festzustellen. Die Voraussetzungen des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG liegen nicht vor.
- Die Gewinnhinzurechnung setzt nicht nur (positiv) voraus, dass eine Einlageminderung vorliegt, sondern als weiteres (negatives) Erfordernis, dass auf Grund der Entnahme keine nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG zu berücksichtigende Haftung besteht oder entsteht.
- Das Gesetz verzichtet auf die Gewinnhinzurechnung nicht nur, soweit auf Grund der Entnahme eine entsprechende Haftung entsteht ("Wiederaufleben der Haftung"), sondern auch, soweit eine Außenhaftung des Kommanditisten besteht ("Bestehen einer Haftung").
Getätigte Entnahmen haben das negative Kapitalkonto der Beigeladenen erhöht und zu einer Einlageminderung im Sinne des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG geführt
Zwar haben die von der Beigeladenen im Streitjahr getätigten Entnahmen in Höhe von 600.026,48 EUR zu einer Erhöhung des negativen Kapitalkontos um 534.257,37 EUR (Entnahme 600.026,48 EUR abzüglich laufender Gewinn 86.326,11 EUR, zuzüglich Ergänzungsbilanz 20.557 EUR) geführt, sodass eine Einlageminderung im Sinne des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG gegeben ist.
Dennoch kommt eine Gewinnhinzurechnung nicht in Betracht.
Wiederaufleben der Haftung
- Soweit die Entnahmen im Streitjahr in einer Gesamthöhe von 600.026,48 EUR zum "Wiederaufleben der Haftung" der Beigeladenen geführt haben, ist eine Gewinnhinzurechnung – wie vom FA berücksichtigt – ausgeschlossen.
- Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine nach § 15a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG zu berücksichtigende Haftung des Kommanditisten wieder auflebt, bestimmt sich wegen des in § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG enthaltenen Verweises auf § 171 Abs. 1 HGB allein nach handelsrechtlichen, nicht nach steuerrechtlichen Maßstäben.
- Nach § 171 Abs. 1 HGB haftet ein Kommanditist den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Haftsumme unmittelbar. Die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die vereinbarte Einlage geleistet ist. Ergänzend hierzu bestimmt § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB, dass die Einlage eines Kommanditisten den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet gilt, soweit sie zurückbezahlt wird. Mit der "Einlage" im Sinne des § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB ist die im Handelsregister eingetragene Haftsumme gemeint. Unter "Zurückzahlung" einer Einlage im Sinne des § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB ist der actus contrarius zur Einlage im Sinne des § 171 Abs. 1 HGB zu verstehen, nämlich die Entnahme aus dem Gesellschaftsvermögen, die dazu führt, dass das Guthaben auf dem Kapitalkonto den Betrag der Hafteinlage nicht mehr deckt.
Bestehen einer Haftung
- § 15a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 EStG schließt die Gewinnhinzurechnung auch im Fall des "Bestehens einer Außenhaftung" des Kommanditisten aus. Dies folgt aus einer am Zweck der Vorschrift orientierten Auslegung des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG.
- Aus dem Wortlaut des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG ergibt sich nicht zwingend, dass eine Gewinnhinzurechnung nur dann unterbleibt, wenn die Haftung des Kommanditisten wieder auflebt.
- Der BFH führt hierzu aus, dass unklar ist, ob das Gesetz auch im Fall des "Bestehens" der Haftung verlangt, dass die Entnahmen des Kommanditisten Ursache für das Bestehen der Haftung sind. Die gesetzliche Formulierung "auf Grund" – die sich auf beide Alternativen ("besteht" und "entsteht") bezieht – spricht zwar für ein solches Verständnis. Eindeutig ist sie gleichwohl nicht, denn es ist nicht ersichtlich, welche Fälle mit der Formulierung "auf Grund der Entnahmen eine Haftung … besteht" gemeint sein könnten.
- Nach Auffassung des BFH spricht die teleologische Auslegung der Regelung, deren Maßstab der die Vorschrift prägende Regelungszweck ist, dafür, dass eine Gewinnhinzurechnung auch dann ausgeschlossen ist, wenn – unabhängig von der Entnahme – eine Außenhaftung des Kommanditisten besteht.
- Eine Gewinnhinzurechnung scheidet auch dann aus, wenn die Haftung des Kommanditisten -unabhängig von der Entnahme - auf Grund der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme besteht, denn auch in diesem Fall haftet der Kommanditist den Gläubigern nach Maßgabe des Handelsrechts, sodass er wirtschaftlich durch den Verlust belastet ist.
- Es macht keinen Unterschied, ob die Haftung wieder auflebt, weil der Kommanditist eine zunächst erbrachte Einlage wieder entnimmt, oder ob er noch gar keine Einlage geleistet und seine Haftung daher (durchgehend) gemäß § 171 Abs. 1 HGB bestanden hat.
- Einer Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG bedarf es nicht, wenn zwar die Rechtfertigung des bisherigen Verlustausgleichs nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG entfällt, der Verlustausgleich jedoch nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG (weiterhin) gerechtfertigt ist.
- Dementsprechend ist dem Kommanditisten der Verlustausgleich auch dann zu belassen, wenn zwar die im Verlustentstehungsjahr zunächst gegebenen Voraussetzungen eines Verlustausgleichs gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG infolge einer Entnahme weggefallen sind, stattdessen aber die Voraussetzungen für einen Verlustausgleich nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG vorliegen. In diesem Fall ist zwar die wirtschaftliche Belastung, die für den die Einlage erbringenden Gesellschafter zunächst bestanden und den Verlustabzug gerechtfertigt hat, nachträglich weggefallen. An deren Stelle ist jedoch die wirtschaftliche Belastung durch die wieder auflebende oder aber bestehende Haftung gemäß § 171 Abs. 1 HGB getreten, sodass es – gemessen am Gesetzeszweck – keiner Gewinnhinzurechnung bedarf.
Danach kommt eine Gewinnhinzurechnung gemäß § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG im Streitfall nicht in Betracht.
BFH, Urteil v. 16.1.2025, IV R 11/22; veröffentlicht am 20.2.2025
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