OFD Frankfurt, Verfügung v. 21.3.2016, S 7168 A - 15 - St 16
Infolge der gestiegenen Zahl von Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern vermieten oder verpachten vermehrt Unternehmer Gebäude an die öffentliche Hand oder die Betreiber von Gemeinschaftsunterkünften.
1. Langfristige Vermietung oder Verpachtung
Die Verträge werden meist langfristig, d.h. länger als mindestens sechs Monate abgeschlossen. Dabei ist auf die Laufzeit der Verträge abzustellen und nicht auf die Dauer des tatsächlichen Aufenthalts der untergebrachten Personen. Auch wenn sich der Miet- oder Pachtzins nach der tatsächlichen Belegung (der Anzahl der jeweils untergebrachten Personen) richtet, liegt keine kurzfristige Vermietung oder Verpachtung vor, wenn der Vertrag insgesamt über mehr als sechs Monate oder unbefristet abgeschlossen wurde.
1.1 Ausschließliche Wohnraumüberlassung
Wird ausschließlich Wohnraum überlassen, sind die Umsätze aus dieser Leistung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei.
1.2 Wohnraumüberlassung zusammen mit der Erbringung weiterer Dienstleistungen
Als übliche Nebenleistungen, die wie die Hauptleistung der Vermietung oder Verpachtung zu besteuern sind, können insbesondere angesehen werden:
- Bereitstellung von Bettwäsche
- Bereitstellung von Mobiliar
- Reinigung des Gebäudes
- Bereitstellung von Waschmaschinen und Wäschetrocknern, auch wenn hierfür ein besonderes Entgelt erhoben wird
- Zurverfügungstellung von Hauspersonal/Hausmeistern
Auch ein pauschaler Abnutzungszuschlag, der vom Mieter gezahlt wird, da er keine Renovierung der angemieteten Räume vorzunehmen hat, ist wie die eigentliche Vermietungsleistung zu besteuern.
Werden weitere Leistungen durch den Eigentümer des Gebäudes erbracht, ist das Vorliegen eines Vertrages besonderer Art zu prüfen (vgl. Abschn. 4.12.6. UStAE) In Betracht kommen beispielsweise die soziale Betreuung der untergebrachten Personen oder die Beauftragung eines Sicherheitsdienstes durch den Vermieter. Ein Vertrag besonderer Art, bei dem der gesamte Leistungsaustausch dem Regelsteuersatz unterliegt, ist nach Abschn. 4.12.6. Abs. 1 Satz 1 UStAE anzunehmen, wenn die Gebrauchsüberlassung des Grundstücks gegenüber anderen wesentlicheren Leistungen zurücktritt und das Vertragsverhältnis ein einheitliches, unteilbares Ganzes darstellt.
Wird neben der Beherbergung auch die Verpflegung der untergebrachten Personen übernommen, handelt es sich insoweit nicht mehr um übliche Nebenleistungen, die entsprechend der Besteuerung der Vermietungsleistung steuerfrei sein könnten. Diese Umsätze sind als eigenständige Leistungen stets mit dem Regelsteuersatz zu versteuern.
1.3 Option nach § 9 UStG
Da die Vermietung oder Verpachtung regelmäßig an die öffentliche Hand erfolgt, besteht in diesen Fällen keine Möglichkeit der Option nach § 9 Abs. 1 UStG, da die Verwendung durch die öffentliche Hand als Flüchtlings-/Asylbewerberunterkünfte dem hoheitlichen (nichtunternehmerischen) Bereich zuzuordnen ist.
2. Kurzfristige Vermietung
Sollten ausnahmsweise kurzfristige Verträge abgeschlossen werden, handelt es sich bei der Wohnraumüberlassung um eine nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG ermäßigt zu besteuernde Beherbergungsleistung. Dasselbe gilt für andere Leistungen, die unmittelbar der Beherbergung dienen, auch wenn die Leistungen gegen gesondertes Entgelt erbracht werden (z.B. Bereitstellung von Mobiliar und anderen Einrichtungsgegenständen, Stromanschluss, Reinigung der gemieteten Räume, Überlassung von Bettwäsche und Handtüchern; vgl. Abschn. 12.16. Abs. 4 UStAE). Eventuell erbrachte zusätzliche Dienstleistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen (z.B. Verpflegungsleistungen, Nutzung von Kommunikationsnetzen, Reinigung von Kleidung) unterliegen dem Regelsteuersatz. Dies gilt auch dann, wenn es sich um Nebenleistungen zur Beherbergung handelt und diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind (Aufteilungsgebot; vgl. Abschn. 12.16. Abs. 5 und 8 UStAE).
3. Rahmenverträge anstelle von Miet- oder Pachtverträgen
Teilweise werden die Räumlichkeiten an die öffentliche Hand nicht vermietet, sondern es wird lediglich ein Rahmenvertrag oder eine Belegungsvereinbarung abgeschlossen. In diesen Fällen geht die öffentliche Hand zwar ggf. auch langfristige Rechtsbeziehungen mit dem Eigentümer der Räumlichkeiten ein, sie kann jedoch nicht wie ein Mieter oder Besitzer über die Räumlichkeiten verfügen. Stattdessen regeln die Verträge lediglich die Modalitäten einer möglichen Belegung der Unterkunft durch Flüchtlinge/Asylbewerber. Die Frage, wann eine Vermietung oder Verpachtung im Sinne des § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG vorliegt, richtet sich nicht nach den Vorschriften des nationalen Zivilrechts, sondern nach Unionsrecht. Die Grundsätze hierfür sind in Abschn. 4.12.1. Abs. 1 Sätze 2 – 6 UStAE dargestellt. Danach muss dem Mieter vom Vermieter auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt werden, das Grundstück so in Besitz zu nehmen, als ob er dessen Eigentümer wäre, und jede andere Person von diesem...