Sachverhalt
Bei dem Verfahren war streitig, ob die als Abtretung bezeichnete Vereinbarung über die Überlassung eines Geschäftsgrundstücks durch eine Gesellschaft an insgesamt drei Schwestergesellschaften, die zusammen mit der überlassenden Gesellschaft demselben Konzern angehören, als steuerfreie Vermietung und Verpachtung von Grundstücken anzusehen ist oder ob es sich um einen steuerpflichtigen Umsatz eigener Art handelt.
Entscheidung
Der EuGH hat unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung entschieden, dass im Vorlagefall ebenfalls eine Vermietung und Verpachtung eines Grundstücks vorliegt. Nach dem Urteil ist Artikel 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-Richtlinie dahingehend auszulegen, dass Umsätze, durch die eine Gesellschaft gleichzeitig durch verschiedene Verträge mehreren mit ihr verbundenen Gesellschaften gegen eine Vergütung, die im Wesentlichen nach der genutzten Fläche festgesetzt wird, ein widerrufliches Nutzungsrecht an ein und demselben Gebäude überträgt, Umsätze aus der Vermietung von Grundstücken im Sinne der Vorschrift darstellen.
Der EuGH geht von seiner ständigen Rechtsprechung aus, dass die Vermietung von Grundstücken im Wesentlichen darin besteht, dem Mieter auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht einzuräumen, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als ob er dessen Eigentümer wäre und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteil v. 9.10.2001, C-409/98 (Mirror Group plc); EuGH, Urteil v. 9.10.2001, C-108/99 (Cantor Fitzgerald International); EuGH, Urteil v. 8.5.2003, C-269/00 (Wolfgang Seeling).
Die in Artikel 13 der 6. EG-Richtlinie normierten Steuerbefreiungen stellen nach ständiger EuGH-Rechtsprechung eigenständige Begriffe des Gemeinschaftsrechts dar und fordern von daher eine gemeinschaftsrechtliche Definition (vgl. EuGH, Urteil v. 12.9.2000, C-358/97 (Kommission/Irland); EuGH, Urteil v. 12.6.2003, C-275/01 (Sinclair Collis)). Zwar sind diese Steuerbefreiungen eng auszulegen. Allerdings soll dies nicht so weit gehen, dass die den Befreiungen intendierte Wirkung genommen wird. Die Steuerbefreiungen sind von daher nach ihrem Sachzusammenhang sowie nach den Zielsetzungen und der Systematik der 6. EG-Richtlinie auszulegen, wobei insbesondere der Normzweck der betreffenden Steuerbefreiung zu berücksichtigen ist (vgl. EuGH, Urteil v. 4.10.2001, C-326/99 (Stichting Goed Wonen)).
Vor diesem Hintergrund urteilt der EuGH, dass die Mietdauer nicht das allein entscheidende Kriterium ist, mit dem ein Vertrag als Grundstücksvermietungsvertrag eingestuft werden kann. Jedenfalls ist es nicht unerlässlich, die Mietdauer bei Vertragsabschluss bereits festzulegen. Ausschlaggebend sind die tatsächlich bestehenden Vertragsbeziehungen. Außerdem kann sich ein Mietvertrag auf bestimmte Teile einer Immobilie beziehen, die gemeinsam mit anderen Mietern zu nutzen sind. Solche vertraglichen Beschränkungen des an der Mietsache bestehenden Nutzungsrechts schließen nach dem Urteil nicht aus, dass die Vertragsparteien gegenüber allen anderen Personen, die nicht Vertragspartner sind, ein ausschließliches Nutzungsrecht an der Mietsache haben.
Demzufolge ist nach dem EuGH-Urteil auch dann von einer Grundstücksvermietung auszugehen, wenn der Vertrag mit mehreren Parteien gleichzeitig geschlossen wird und der Vermieter jedem Mieter gestattet, gemäß einer von dem Vermieter vorgenommenen Zuteilung seine unternehmerische Tätigkeit in dem Gebäude auszuüben, ohne dass der Mieter ein besonderes Recht an einem bestimmten Teil des Gebäudes hat. Das gilt auch dann, wenn die Mietvereinbarung für die Dauer der Geschäftstätigkeit eines Mieters geschlossen wird und der Mieter verpflichtet ist, die Räume ausschließlich für seine Geschäftstätigkeit und unter Beachtung der von dem Vermieter erlassenen Hausordnung zu nutzen. Weiterhin ist auch von einem Mietvertrag auszugehen, wenn der Vermieter zu jeder Zeit und ohne Vorankündigung von dem Mieter die Räumung der überlassenen Räumlichkeiten verlangen kann.
Das deutsche Umsatzsteuerrecht dürfte mit den Grundsätzen des EuGH-Urteils in Einklang stehen.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 18.11.2004, C-284/03