Leitsatz
Der für die steuerliche Anerkennung einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen erforderliche Rechtsbindungswille muss sich auf sämtliche für einen Versorgungsvertrag typusprägenden Leistungen – Sach- und Barleistungen – beziehen. Insoweit sind Abweichungen des tatsächlich Durchgeführten vom Vereinbarten steuerschädlich.
Normenkette
§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG
Sachverhalt
Dem Kläger war durch Hofübergabe- und Altenteilsvertrag vom Dezember 1991 der elterliche Hof übertragen worden. Er musste seinen Eltern ein lebenslängliches freies Wohnrecht bei freier Heizung und freier Beköstigung gewähren. Ferner war er zur Zahlung eines wertgesicherten Baraltenteils i.H.v. monatlich 750 DM verpflichtet.
In den Streitjahren 1991 bis 1993 erbrachte der Kläger lediglich die ausbedungenen Sachleistungen, nicht dagegen auch das vereinbarte Baraltenteil. Das FA ließ deshalb die vom Kläger als Sonderausgaben geltend gemachten Sachleistungen nicht zum Abzug zu. FG und BFH bestätigten die Verwaltungsentscheidung.
Entscheidung
Die steuerliche Anerkennung des Versorgungsvertrags sei zu versagen, weil es den Vertragsparteien an dem erforderlichen Rechtsbindungswillen gefehlt habe. Für den geschlossenen Hofübergabevertrag seien die vereinbarten Sach- und Barleistungen gleichermaßen typusprägend gewesen. Beide Leistungskomponenten seien mithin gleichgewichtig und gleichwertig.
Folglich habe die Erfüllung des Baraltenteils ebenso wenig im Belieben des Vermögensempfängers gestanden wie die Erbringung der Sachleistungen.
Die vom Kläger erbrachten Sachleistungen könnten auch nicht als Anschaffungskosten für die Wirtschaftsgüter des Hofs und damit über die AfA als Betriebsausgaben berücksichtigt werden. Denn mit ihrer Entscheidung, Vermögen gegen Versorgungsleistungen zu übertragen, hätten die Vertragsparteien ihre Rechtsbeziehungen der steuerrechtlichen Unentgeltlichkeit (vgl. § 6 Abs. 3 EStG) zugeordnet.
Hinweis
Die steuerrechtliche Anerkennung eines Vertrags über die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen setzt zunächst voraus, dass die Vertragspartner den Mindestbestand an bürgerlich-rechtlichen Rechtsfolgen klar und eindeutig vereinbart haben, der die Qualifikation als Versorgungsvertrag erst ermöglicht (Umfang des übertragenen Vermögens, Art und Höhe der Versorgungsleistungen sowie Art und Weise der Zahlung). Des Weiteren müssen die vereinbarten Leistungen in ihrem Kernbestand tatsächlich erbracht werden. Dabei schließt nicht jede – unwesentliche – Abweichung des Durchgeführten vom Vereinbarten die steuerrechtliche Anerkennung aus.
Im Rahmen der dieserhalb gebotenen Gesamtwürdigung ist vielmehr entscheidend, ob eine festgestellte Abweichung der tatsächlichen Durchführung vom vertraglich Vereinbarten darauf hindeutet, dass es den Vertragspartnern am erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlt (grundlegend hierzu BFH, Urteil vom 3.3.2004, X R 14/01, BFH-PR 2004, 263, betreffend Wertsicherungsklausel). Denn ob und in welchem Umfang die Beteiligten ihren Vertragspflichten nachkommen wollen, kann, wenn der Vereinbarung eine steuerrechtliche Relevanz zukommen soll, nicht in ihr Belieben gestellt werden.
Im Streitfall sprach entscheidend gegen den erforderlichen Rechtsbindungswillen der Vertragsbeteiligten, dass der Vermögensübernehme? die von Anfang an vereinbarten und als wesentlicher Bestandteil der Versorgungsabrede zu qualifizierenden Barleistungen erst rund zwei Jahre später aufnahm.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 19.1.2005, X R 23/04