Leitsatz
1. Versorgungsleistungen können – unter bestimmten weiteren Voraussetzungen – auch dann abziehbar sein, wenn der Erblasser sie dem Vermögensübernehmer in einer letztwilligen Verfügung auferlegt hat. Sind in der letztwilligen Verfügung keine Versorgungsleistungen bezeichnet, wird dies im Anwendungsbereich des § 23 HO – RhPf auch mit ertragsteuerrechtlicher Wirkung durch den aus dieser Norm folgenden gesetzlichen Anspruch auf Versorgungsleistungen ersetzt.
2. Eine die Höhe der Versorgungsleistungen konkretisierende nachträgliche vertragliche Vereinbarung zwischen den Erben oder sonstigen Begünstigten muss den Vorgaben des § 23 Abs. 3 HO – RhPf entsprechen, wenn die Leistungen als Sonderausgaben abziehbar sein sollen. Falls die Parteien Leistungen in einer Höhe vereinbaren wollen, die nicht aus § 23 HO – RhPf abgeleitet werden könnte, müssen sie dies bereits im Übergabevertrag oder in der letztwilligen Verfügung regeln, wenn sie die einkommensteuerrechtliche Anerkennung erreichen wollen.
3. Beruhen der Vermögensübergang und die Verpflichtung zur Erbringung von Versorgungsleistungen auf einer letztwilligen Verfügung, kommt es für die Anwendung der Übergangsregelung des § 52 Abs. 23g EStG nicht auf den Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung, sondern auf den des Erbfalls an.
Normenkette
§ 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 52 Abs. 23g EStG a.F., § 23 HO – RhPf
Sachverhalt
V war Vater der Klägerin und drei weiterer Kinder. Er war Inhaber eines in die Höferolle eingetragenen landwirtschaftlichen Betriebs in Rheinland-Pfalz. V setzte die Klägerin 1991 als alleinige und unbeschränkte Hoferbin ein. Er starb 2012, sodass der Hof im Wege der Sondererbfolge auf die Klägerin überging, die ihn weiterführte. Ebenfalls 2012 übertrug die Mutter (M) der Klägerin dieser ein Grundstück unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Zudem einigten sich M, die Klägerin und ihre Geschwister über die Abfindung von Pflichtteilsansprüchen. Der Anspruch der M wurde "bis auf weiteres" gestundet und sollte mit dem Tod der M ersatzlos entfallen. Zudem verpflichtete sich die Klägerin, einen wertgesicherten Betrag monatlich als dauernde Last zu zahlen, und räumte M ein lebenslanges unentgeltliches Wohnungsrecht an einer Wohnung sowie ein Mitbenutzungsrecht an Gemeinschaftsräumen ein. Die Klägerin war zudem verpflichtet, M bei Krankheit und Gebrechlichkeit zu pflegen. Als zumutbar galten Leistungen bis zur Pflegestufe 1. Die zugesagten Geldleistungen waren unter Bezugnahme auf § 323 ZPO änderbar; jedoch nicht wegen eines Mehrbedarfs infolge dauernder Pflegebedürftigkeit oder der Übersiedlung in ein Alten- oder Pflegeheim.
Die Klägerin beanspruchte den Sonderausgabenabzug für die an M gezahlten Barleistungen. Dies lehnte das FA ab, weil die Versorgungsleistungen nicht gleichzeitig mit der Regelung der Hofübergabe im Testament des V angeordnet worden seien. Die Klägerin verwies auf die in § 23 Abs. 2 HO – Rheinland-Pfalz angeordnete gesetzliche Pflicht zur Erbringung von Versorgungsleistungen. Dabei handele es sich um einen "besonderen Verpflichtungsgrund" i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F. (jetzt § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG). Das FG wies die Klage ab (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 31.7.2019, 1 K 1053/17, Haufe-Index 13792242, EFG 2020, 774).
Entscheidung
Der BFH hat das Urteil des FG aufgehoben und die nicht spruchreife Sache zur Nachholung der erforderlichen Tatsachenfeststellungen an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Hinweis
1. Das Rechtsinstitut der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen wurde 2008 gesetzlich neu geregelt. Anwendbar ist das neue Recht gemäß § 52 Abs. 23g EStG a.F. (aktuell § 52 Abs. 18 EStG) nur auf nach dem 31.12.2007 vereinbarte Vermögensübertragungen. Eine solche Vereinbarung fehlt, wenn der Vermögensübergang auf einem Erbfall beruht. In solchen Fällen ist dann der Zeitpunkt des Erbfalls entscheidend.
2. Die ertragsteuerrechtliche Anerkennung der regelmäßig zwischen nahen Angehörigen abgeschlossenen Vermögensübergabeverträge setzte und setzt im Hinblick auf den erforderlichen Rechtsbindungswillen voraus, dass Umfang des übertragenen Vermögens, Höhe der Versorgungsleistungen sowie Art und Weise ihrer Zahlung klar und eindeutig vereinbart werden. Die Vereinbarungen müssen zu Beginn des Rechtsverhältnisses oder bei Änderung des Verhältnisses für die Zukunft getroffen werden. Dies bedeutet, dass die Versorgungsleistungen grundsätzlich im Übergabevertrag selbst vereinbart werden müssen. Es ist aber auch möglich, dass die Versorgungsleistungen dem Vermögensübernehmer in einer letztwilligen Verfügung, in der der Übergang des den Ertrag bringenden Vermögens(teils) auf den Übernehmer angeordnet wird, auferlegt werden.
3. Im Besprechungsurteil wird aufgezeigt, dass sich die Verpflichtung zu Versorgungsleistungen auch aus spezifischen gesetzlichen Regelungen ergeben kann. Diese können bei der Übergabe von landwirtschaftlichen Betrieben insbesondere in den entsprechenden Höfeordnungen (HO) enthalten sein. So normiert § 23 Abs....