Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Bei einem den Sonderausgabenabzug der wiederkehrenden Leistungen begründenden Versorgungsvertrag können die Vertragspartner auf geänderte Bedarfslagen reagieren und ihre Zahlungen anpassen, ohne die steuerliche Abzugsfähigkeit zu gefährden, solange die vertraglichen Leistungen nicht den Charakter der Beliebigkeit haben. Die Wiederaufnahme der Zahlung von wiederkehrenden Leistungen nach längerer Unterbrechung führt zu einer Vertragsänderung und erfordert eine erneute Vertragsprognose.
Sachverhalt
Im Streitfall wurde (vereinfacht dargestellt) ein Betrieb zum 1.1.1999 vom Vater auf den Sohn im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gegen Zahlung lebenslänglicher wiederkehrender Leistungen übertragen. Der Übertragungsvertrag sah eine Abänderbarkeit gemäß § 323 ZPO vor. Aufgrund notwendig werdender betrieblicher Investitionen wurden die Rentenzahlungen in 2001 nicht mehr vollständig erbracht, ab März 2002 vorübergehend ganz eingestellt und ab August 2003 in verminderter Höhe wieder aufgenommen. Das Finanzamt sah hierin keine vertragsgemäße Durchführung des Versorgungsvertrags und ließ die geleisteten Rentenzahlungen für die zweite Jahreshälfte 2001 sowie für Januar und Februar 2002 nicht mehr zum Sonderausgabenabzug zu.
Entscheidung
Das FG dagegen entschied, dass aus dem veränderten tatsächlichen Zahlungsverhalten noch keine ausreichenden Indizien für das Fehlen eines Rechtsbindungswillens aus der getroffenen vertraglichen Vereinbarung erkennbar waren. Daher waren auch die in verminderter Höhe gezahlten wiederkehrenden Leistungen weiterhin als Sonderausgaben abziehbar. Es liegt in der Rechtsnatur des Versorgungsvertrags begründet, dass die Vertragspartner auf geänderte Bedarfslagen angemessen reagieren können. Allerdings dürfen die Zahlungen bzw. die vertraglichen Leistungen nicht den Charakter der Beliebigkeit haben, von denen die Beteiligten nur Gebrauch machen, wenn es ihnen opportun erscheint. Indiz hierfür ist es, wenn für die Aussetzung und die anschließende Wiederaufnahme von Zahlungen keine nachvollziehbaren Gründe vorliegen bzw. Schwankungen in der Höhe des Zahlbetrages nicht durch Änderungen der Verhältnisse gerechtfertigt sind. Im Streitfall sah das Gericht hierfür keine Anhaltspunkte, da die Verringerung bzw. die zeitweise Zahlungsaussetzung der wiederkehrenden Leistungen ihre Ursache in den betrieblichen Liquiditätsschwierigkeiten hatte und nach einer Übergangsphase auch wieder zu - wenn auch verringerten - regelmäßigen wiederkehrenden Leistungen übergegangen wurde.
Allerdings ist in einer derartigen Wiederaufnahme der Zahlungen von wiederkehrenden Leistungen eine Vertragsänderung zu sehen, die eine erneute Ertragsprognose erforderlich macht, um zu prüfen, ob - nach den Verhältnissen bei Vertragsänderung - nach der Ertragsprognose die Rentenzahlungen aus den zu erwirtschafteten Erträgen bedient werden können. Nur wenn dies gewährleistet ist, kommt ein weiterer Sonderausgabenabzug der wiederkehrenden Leistungen in Betracht.
Hinweis
Die Entscheidung beschäftigt sich mit der in der Besteuerungspraxis nicht selten anzutreffenden "nicht vertragsgemäßen" Zahlung der vereinbarten wiederkehrenden Leistungen, woraus sich jedoch, wie das FG hervorgehoben hat, noch nicht automatisch ein Ausschluss des Sonderausgabenabzugs ergibt. Vielmehr ist nach den Gesamtumständen zu prüfen, ob es hierfür wirtschaftlich nachvollziehbare Gründe gibt. Inwieweit die Wertung des FG in dem entschiedenen Einzelfall Bestand hat, wird der BFH in der unter dem Aktenzeichen X R 13/09 anhängigen Revision zu klären haben. Festzuhalten bleibt, dass diese Problematik auch nach der einschränkenden Änderung von § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG für nach dem 31.12.2007 abgeschlossene Übertragungsverträge weiterhin aktuell ist und bleibt.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 28.08.2008, 3 K 219/06