Leitsatz
Die Verpflegung von Seminarteilnehmern ist nur bei geringfügigen Verpflegungsleistungen nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG steuerfrei.
Normenkette
§ 4 Nr. 22 Buchst. a UStG 1999, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-RL
Sachverhalt
Ein Berufsverband für Unternehmer (eV) veranstaltete Tagesseminare in Hotels zu unternehmerbezogenen Themen. Im Seminarpreis waren Seminarunterlagen und Verpflegung während des Seminartags enthalten.
FA und FG waren der Auffassung, die Verpflegung sei Nebenleistung zu den steuerfreien Seminarleistungen und deshalb kein Vorsteuerabzug für die Verpflegung gegeben (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.02.2010, 2 K 7422/05 B).
Entscheidung
Die Zurückverweisung war erforderlich, weil keine Feststellungen zu Art und Weise der Verpflegung der Seminarteilnehmer vorlagen. Lagen Verpflegungsleistungen vor, die ein eigenes Gewicht haben, ist das einheitliche Entgelt – ggf. durch eine Schätzung nach § 162 AO – nach der einfachst möglichen Berechnungs- oder Bewertungsmethode aufzuteilen.
Hinweis
1. Bei richtlinienkonformer Auslegung von § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG sind nicht alle Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen zur Erlernung von Fähigkeiten oder Fertigkeiten "wissenschaftlicher oder belehrender Art" im Sinn dieser Vorschrift befreit, sondern nur solche, die als Erziehung von Kindern und Jugendlichen, als Schul- oder Hochschulunterricht, als Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung anzusehen sind. Ob nach nationalem Berufsbildungsgesetz eine Veranstaltung der Berufsbildung dient, ist allerdings nicht entscheidend. Auch kann Aus- und Fortbildung auch im Rahmen von Tagesveranstaltungen erfolgen.
2. Die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG erstreckt sich grundsätzlich nicht auf die Verpflegung der Seminarteilnehmer. Dienstleistungen und Lieferungen (Umsätze) sind nur dann mit dem Unterricht etc. "eng verbunden" und deshalb nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-RL steuerfrei, wenn sie tatsächlich als Nebenleistungen zum Unterricht, der die Hauptleistung ist, erbracht werden. Es gelten dieselben Grundsätze wie im Verhältnis zwischen Haupt- und Nebenleistungen: Der Umsatz darf keinen eigenen Zweck erfüllen. Als Nebenleistung gilt eine Leistung nur, wenn sie sich nur als Mittel beurteilen lässt, um die Hauptleistung unter den bestmöglichen Bedingungen zu erhalten. Schließlich sind als "eng verbundene Umsätze und Nebenleistungen" nach der Rechtsprechung des EuGH nur Leistungen steuerfrei, wenn sie unerlässlich sind.
3. Bei der Veranstaltung von Tagesseminaren kann die Gewährung von Verpflegung unter bestimmten Voraussetzungen unerlässlich sein. Zur Verpflegung von Arbeitnehmern bei Unternehmensbesprechungen hat der EuGH mit Urteil vom 11.12.2008, C-371/07, Danfoss A/S, AstraZeneca A/S (BFH/NV 2009, 336, BFH/PR 2009, 159) entschieden, dass die Gewährleistung der Kontinuität und des ordnungsgemäßen Sitzungsablaufs es rechtfertigten, die Bewirtung der an Sitzungen teilnehmenden Arbeitnehmer mit Sandwichs und kalten Gerichten, die im Sitzungsraum serviert werden, nicht als unternehmensfremd anzusehen. Dementsprechend ist auch die Verpflegung mit kalten oder kleinen Gerichten im Seminarraum, wie z.B. bei Kaffeepausen, unerlässlich für die Durchführung von ganztägigen Seminaren. Eine weitergehende Verpflegung von Seminarteilnehmern ist daher im Allgemeinen nicht als mit der Aus- oder Fortbildung eng verbundene Dienstleistung oder als Nebenleistung zur Aus- oder Fortbildung steuerfrei.
4. Soweit der BFH Verpflegungsleistungen an Studenten durch Studentenwerke (Mensa) als "eng verbundenen" Umsatz beurteilt hat, war maßgebend, dass dem Studentenwerk als Anstalt des öffentlichen Rechts im Zusammenwirken mit den Hochschulen die soziale Betreuung und Förderung der Studenten obliegt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 07.10.2010 – V R 12/10