Leitsatz
Sucht der Arbeitnehmer den Betrieb seines Arbeitgebers mit einer gewissen Nachhaltigkeit fortdauernd und immer wieder auf, um von dort aus seine berufliche Tätigkeit an ständig wechselnden auswärtigen Tätigkeitsstätten anzutreten, so kann er Mehraufwendungen für Verpflegung nicht für die Dauer der Abwesenheit von seiner Wohnung, sondern erst ab Beginn seiner Auswärtstätigkeit außerhalb des Betriebs steuerlich geltend machen.
Normenkette
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG , § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 3 EStG , § 9 Abs. 5 EStG
Sachverhalt
Der Kläger war als sog. Sperrkassierer bei einem Energieversorgungsunternehmen beschäftigt. Er begann seine Tätigkeit jeweils morgens um acht Uhr zunächst in der Verwaltungsstelle seines Arbeitgebers, wo er sich die am gleichen Arbeitstag zu erledigenden Aufträge übertragen und ggf. näher erläutern ließ. Anschließend begab er sich in den Außendienst; die Verwaltungsstelle suchte er nicht mehr auf. Im Außendienst hatte der Kläger bei den Versorgungskunden die Zähler zu öffnen, abzulesen und zu schließen sowie Inkassotätigkeiten vorzunehmen. Erhaltene Bargeldbeträge zahlte er bei einem Kreditinstitut ein. Die entsprechenden Rechenschaftsbelege übergab der Kläger am folgenden Morgen wieder dem Innendienst und erläuterte dort etwaige Besonderheiten.
Das FA anerkannte die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen für 190 Arbeitstage zu je 10 DM wegen mindestens achtstündiger Abwesenheit des Klägers von seiner Wohnung nicht an. Das FG wies die Klage ab.
Entscheidung
Die Revision des Klägers führte zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Dieses sei der Frage nicht nachgegangen, ob (und wenn ja, an wie vielen Tagen) der Kläger die vom Gesetz geforderte Abwesenheitszeit von mindestens acht Stunden auch bei Berechnung der Abwesenheitsdauer von Wohnung und Verwaltungsgebäude des Arbeitgebers erfüllt habe. Für die in diese Richtung gehende, verneinende Schlussfolgerung in den Urteilsgründen fehle es an hinreichenden Tatsachenfeststellungen. Das ergebe sich schon daraus, dass der Kläger (nach den Feststellungen des FG) an Donnerstagen regelmäßig bis 18 Uhr im Außendienst arbeiten musste und ihm daher die Verpflegungspauschale zumindest für diese Tage schon dann zustand, wenn er das Verwaltungsgebäude – in das er unstreitig am gleichen Tag nicht wieder zurückkehrte – spätestens um zehn Uhr verlassen hat.
Hinweis
1. Die vorliegende Entscheidung hat vor allem Bedeutung für die Berechnung der Abwesenheitszeiten bei vorübergehender Auswärtstätigkeit; sie behandelt insbesondere das Verhältnis der Sätze 2 und 3 des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG.
2. Nach Satz 1 der genannten Vorschrift, die für die Ermittlung der Einkünfte des Klägers aus nichtselbstständiger Tätigkeit sinngemäß gilt (§ 9 Abs. 5 EStG), sind Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen grundsätzlich nicht als Werbungskosten abziehbar. Darüber hinaus wird nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers ein beruflich veranlasster Mehr-Aufwand für Verpflegung typisierend so lange nicht anerkannt, wie sich der Arbeitnehmer im Betrieb des Arbeitgebers aufhält.
Davon machen die Sätze 2 und 3 des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG Ausnahmen. Dies betrifft zum einen den Fall, dass der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit entfernt beruflich tätig wird (Satz 2). Daneben gilt eine weitere Ausnahme für den Fall, dass der Steuerpflichtige bei seiner individuellen beruflichen Tätigkeit typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten tätig wird (Satz 3). Die in beiden Fallgruppen abziehbaren Pauschbeträge bestimmen sich in den Fällen des Satzes 2 nach der tätigkeitsbedingten Abwesenheitsdauer von Wohnung und Tätigkeitsmittelpunkt, während in den Fällen des Satzes 3 allein die Dauer der Abwesenheit von der Wohnung maßgebend ist.
3. Wann ist Satz 2 bzw. Satz 3 anwendbar? Wie bereits im Urteil VI R 70/03, BFH-PR 2005, 399 hervorgehoben, besteht eine Übereinstimmung zwischen dem Begriff der (regelmäßigen) Arbeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG und dem Begriff des "Mittelpunkts der dauerhaft angelegten betrieblichen/beruflichen Tätigkeit" (Tätigkeitsmittelpunkt) i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 (i.V.m. § 9 Abs. 5) EStG.
Oder anders gewendet: Als Arbeitnehmer wird typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten tätig, wer im Betrieb seines Arbeitgebers keine regelmäßige Arbeitsstätte hat, die für ihn den (ortsgebundenen) Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit darstellt. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 3 EStG erstreckt also die Rechtsfolge des Satzes 2 auf die Fälle, in denen der Arbeitnehmer über einen dauerhaft angelegten Bezugspunkt seiner beruflichen Tätigkeit nicht verfügt, also den Betrieb des Arbeitgebers nicht berührt, weil er von seinem Arbeitgeber ausschließlich an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten eingesetzt wird (vgl. BFH, Urteil vom 27.7.2004, VI R 43/03, )BFH-PR 2005, 7.
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