OFD Hannover, Verfügung v. 4.2.2005, S 0453 - 71 - StO 161
1. Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis können gemäß § 222 O – abgesehen von den in Sätzen 3 und 4 genannten Steuer und Haftungsansprüchen – ganz oder teilweise gestundet werden, wenn deren Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint. Die erhebliche Härte kann nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sachlich begründet sein.
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs liegt ein sachlicher Stundungsgrund u.a. vor, wenn ein Erstattungsanspruch (Gegenanspruch) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit besteht und alsbald fällig wird und damit zur Tilgung der fälligen Steuerschuld verwendet werden kann.
Dies gilt auch dann, wenn der zu zahlende Steuerbetrag – ganz oder teilweise – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit alsbald zurückzuzahlen sein wird (z.B. bei einem Verlustrücktrag).
In beiden Fällen handelt es sich um eine Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Danach ist die Rechtsausübung unzulässig, wenn eine Leistung gefordert wird, die alsbald zurückzuerstatten wäre (so Palandt, BGB § 232 Rn. 52)
2.1 Das FA handelt ermessensfehlerfrei, wenn es eine Stundung fälliger Steuern mit der Begründung ablehnt, dass eine Gegenforderung (z.B. Steuererstattung) nicht mit Sicherheit oder wenigstens mit großer Wahrscheinlichkeit feststeht. Im Rahmen des Stundungsverfahrens braucht das FA eine schwierige und zeitraubende Überprüfung der angeblichen Gegenforderung nicht vorzunehmen.
2.2. Will der Steuerschuldner die bevorstehende Einziehung einer Steuerforderung unter Berufung auf Gegenansprüche gegen den Steuergläubiger bis zum Eintritt der Aufrechnungslage aufhalten und liegen die Voraussetzungen für eine Verrechnungsstundung nicht vor, so kann er das angestrebte Ziel nicht durch eine auf § 258 AO (Unbilligkeit der Vollstreckung) gestützte einstweilige Anordnung erreichen.
3. Wird die Stundung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis mit der Begründung beantragt, es werde sich eine Ermäßigung des geschuldeten Betrags oder eine Verrechnungsmöglichkeit mit noch nicht fälligen Steuererstattungsansprüchen bzw. Steuervergütungsansprüchen ergeben, so kommt eine Stundung nur in Betracht, wenn die entsprechenden vollständigen Steuererklärungen oder Anträge (z.B. auf Gewährung von Investitionszulagen) vorliegen. Bei einem Verlustrücktrag müssen die Steuererklärungen sowohl für das Verlustjahr als auch für das Jahr, in dem sich der Verlustrücktrag steuerlich auswirkt, eingegangen sein.
Einer Vorlage der Steuererklärung bedarf es nur dann nicht, wenn das Bestehen des Gegenanspruchs auf andere Weise, etwa durch Vorlage von Urkunden oder durch anderweitige Glaubhaftmachung mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen wird. Dies gilt besonders für leicht überschaubare Sachverhaltsgestaltungen (vgl. BFH-Urteil vom 12.6.1996, BFH/NV 1996 S. 873 und vom 12.11.1997, BFH/NV 1998 S. 418). Weitere Voraussetzungen für eine Stundung bleibt jedoch auch in diesem Fall, dass der Gegenanspruch alsbald fällig wird.
Wegen der weiteren Voraussetzung vgl. Tz. 4.
3.1 Ergibt sich der behauptete Erstattungsanspruch durch die steuerliche Erfassung von Einkünften aus einer Beteiligung, so müssen dem zuständigen Betriebsfinanzamt außerdem die entsprechenden vollständigen Steuererklärung der Gesellschaft oder Gemeinschaft vorliegen. Das Betriebsfinanzamt muss die voraussichtliche Höhe der geltend gemachten Einkünfte aus der Beteiligung bestätigt haben.
Bei der Geltendmachung von negativen Einkünften aus der Beteiligung an Verlustzuweisungsgesellschaften und vergleichbaren Modellen ist der BMF-Erlass vom 13.7.1992, S 0622 – 2 – 33 1 (insbesondere Tzn. 4.1.5, 4.1.8 und 4.1.10.) zu beachten.
3.2 Bei einem Anspruch auf Investitionszulage ist § 7 Abs. 2 InvZulG 1991 zu beachten. Vor Ablauf des Wirtschaftsjahres, in dem die begünstigten Wirtschaftsgüter angeschafft oder hergestellt wurden, die begünstigten Anzahlungen auf Anschaffungskosten geleistet wurden oder die begünstigten Teilherstellungskosten entstanden sind, ist eine Stundung nicht möglich, selbst wenn der Investitionszulagenantrag bereits vor Ablauf dieses Wirtschaftsjahres gestellt worden ist.
3.3 Die Eigenheimzulage ist nach § 13 EigZulG jeweils am 15.3. der Folgejahre des Förderzeitraums auszuzahlen. Dabei handelt es sich um eine gesetzliche Bestimmung, der Auszahlungszeitpunkt liegt – im Gegensatz zu den Fällen, in denen z.B. eine Steuererklärung mit einem Erstattungsanspruch vorliegt, die vom FA noch zu bearbeiten ist – nicht im Verantwortungsbereich des Finanzamts.
Eine Verrechnungsstundung im Hinblick auf die zu erwartende Auszahlung der Eigenheimzulage würde damit zu einem Hinausschieben der gesetzlichen Fälligkeit von Steuern führen, was jedoch nicht Sinn und Zweck der Stundung ist (vgl. Klein/Orlopp, AO § 222 Anm. 6e). Daher sind Stundungen im Hinblick auf die Auszahlung der Eigenheimzulage regelmäßig abzulehnen...