Leitsatz
Der Tatbestand des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 VersStG knüpft bei der Versicherung von Risiken in Bezug auf unbewegliche Sachen ausschließlich an die geografische Belegenheit des Risikos an. Die mit der Risikoübernahme durch den Versicherer verbundenen wirtschaftlichen Belange des Versicherungsnehmers sind insoweit ohne Bedeutung.
Normenkette
§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 VersStG, Art. 2 Buchst. d, Art. 25 Zweite Richtlinie 88/357/EWG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine inländische GmbH, errichtete 2005 in Norwegen eine Industrieanlage und hatte sich gegenüber der Auftraggeberin zur Übernahme einer zweijährigen Garantie ab Abnahme des Werks verpflichtet. Die Garantieverpflichtung umfasste insbesondere die Ordnungsmäßigkeit und Mängelfreiheit der Anlage sowie der dort eingebauten Materialien für die Dauer der Garantieperiode. Im Zusammenhang mit der Errichtung der Industrieanlage hatte die Klägerin u.a. mit einem inländischen Versicherungsunternehmen eine Garantie-Versicherung abgeschlossen. Der Versicherer hatte eine Entschädigung u.a. für Schäden zu leisten, die auf Konstruktions-, Material-, Berechnungs‐, Werkstätten‐ oder Montagefehler zurückzuführen waren.
In der Versicherungsteueranmeldung des Versicherers für Juli 2004 wurde die Versicherungsteuer für die Garantie-Versicherung beim seinerzeit zuständigen FA angemeldet und entrichtet. Den Antrag der Klägerin auf Aufhebung der Versicherungsteuerfestsetzung für die Garantie-Versicherung lehnte das FA ab. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos. Das FG bejahte die Versicherungsteuerpflicht für die Garantie-Versicherung, weil das dadurch abgesicherte Vermögensrisiko keinen Bezug zu der in Norwegen errichteten Industrieanlage aufweise (FG München, Urteil vom 21.4.2010, 4 K 2880/05, Haufe-Index 2346325, EFG 2010, 1744).
Entscheidung
Der BFH hat, wie in den Praxis-Hinweisen erläutert, das FG-Urteil aufgehoben und das BZSt verpflichtet, die angemeldete Versicherungsteuer um den auf die deutschen Versicherer entfallenden Prämienanteil zu ermäßigen.
Hinweis
Die Versicherungsteuer ist stark unionsrechtlich geprägt. Die Rechtsprechung hatte bislang allerdings kaum Gelegenheit, die damit zusammenhängenden Fragen zu klären. Im vorliegenden Fall hatte der BFH erstmals darüber zu entscheiden, nach welchen Grundsätzen die Abgrenzung der deutschen Steuerhoheit zu erfolgen hat, wenn das versicherte Risiko eine außerhalb Deutschlands befindliche unbewegliche Sache (hier: Industrieanlage in Norwegen) betrifft. In der Sache ging es um die versicherungsteuerliche Behandlung von Prämien für eine sog. Garantieversicherung. Diese hatte ein deutscher Anlagenbauer (Versicherungsnehmer) u.a. bei einem deutschen Versicherungsunternehmen abgeschlossen und sich damit gegen Risiken aus seiner Gewährleistungspflicht abgesichert.
1. In verfahrensrechtlicher Hinsicht bestätigt der BFH ausdrücklich seine schon früher vertretene Auffassung, dass ein Versicherungsnehmer (und nicht allein der Versicherer) sowohl zur Anfechtung der Steueranmeldung des Versicherers als auch zur Erhebung einer Verpflichtungsklage berechtigt ist, die auf Änderung der Versicherungsteuer-Anmeldung des Versicherers gerichtet ist. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass der Versicherungsnehmer Steuerschuldner ist (§ 7 Abs 1 VersStG). Der Versicherer hingegen haftet für die Versicherungsteuer (§ 7 Abs. 1 Satz 2 VersStG; seine Zahlungspflicht ist als Entrichtungsschuld vorrangig.
2. Entsprechend den unionsrechtlichen Vorgaben unterliegt gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VersStG a.F. (ab 1.1.2013: § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VersStG n.F.) die Versicherung von Risiken mit Bezug auf unbewegliche Sachen (insbesondere Bauwerke und Anlagen) nur dann der Versicherungsteuer, wenn sich die Gegenstände im Geltungsbereich des VersStG befinden. Durch diese Regelungen soll im Interesse der Dienstleistungsfreiheit eine doppelte Besteuerung von Versicherungsprämien vermieden werden.
3. Von entscheidender Bedeutung für die Abgrenzung der Steuerhoheit ist damit, nach welchen Kriterien die "Risikobelegenheit" i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 VersStG zu bestimmen ist. Bei einer Garantieversicherung für eine im Ausland zu errichtende Industrieanlage könnte zum einen – so das in der Vorinstanz ergangene FG-Urteil und das für die Versicherungsteuer zuständige Bundeszentralamt für Steuern – auf wirtschaftliche Gesichtspunkte abgestellt und die Steuerbarkeit der Versicherungsprämien daran ausgerichtet werden, ob sich das wirtschaftliche Risiko der Gewährleistungspflicht im In- oder aber im Ausland verwirklicht. Dieses wirtschaftliche Risiko (in Gestalt des aus der Gewährleistungspflicht folgenden Vermögensrisikos) wird regelmäßig am inländischen Sitz des Anlagebauers eintreten, sodass die gezahlte Versicherungsprämie der Versicherungsteuer unterläge.
4.Der BFH hat diese Sichtweise verworfen und für die "Risikobelegenheit" allein auf dessen geografische Belegenheit abgestellt. Zwar besteht der wirtschaftliche Zweck einer Garantie-Versicherung in der Absicherung des Sc...