Leitsatz
1. Für Klagen, die sich gegen das Verspätungsgeld richten, ist der Finanzrechtsweg eröffnet.
2. § 22a Abs. 5 Satz 3 EStG verstößt nicht gegen die Unschuldsvermutung.
3. Eine Doppelbestrafung liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn gegen einen Mitteilungspflichtigen ausschließlich ein Verspätungsgeld gemäß § 22a Abs. 5 EStG, nicht aber eine Geldbuße nach § 50f EStG erhoben wird.
4. Die Regelungen des § 22a Abs. 1 und Abs. 5 EStG sind mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar.
Normenkette
§ 22a, § 50f EStG, Art. 20 Abs. 3, Art. 103 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 2 EMRK, § 33 FGO
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine berufsständische Versorgungseinrichtung in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts. Sie wehrt sich gegen die Auferlegung des Verspätungsgeldes, weil sie u.a. meint, der Normenaufbau des § 22a Abs. 5 EStG mit dem Zwang des Mitteilungspflichtigen, sich zu exkulpieren, verstoße gegen die Unschuldsvermutung. Zudem seien nicht die Finanzgerichte zuständig. Das FG wies die Klage ab (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.6.2017, 5 K 5043/16, Haufe-Index 11209642, EFG 2017, 1669).
Entscheidung
Der BFH hat das Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen, weil dieses nicht ausreichend geklärt hatte, welche Gründe für die Fristüberschreitung maßgeblich waren und ob diese ggf. von der Klägerin nicht zu vertreten waren.
Hinweis
Die entscheidenden Aussagen dieses Urteils zum Verspätungsgeld beziehen sich zum einen auf die Frage, ob überhaupt der Finanzrechtsweg gegeben ist, und zum anderen auf den Aspekt, ob die Regelungen in § 22a Abs. 5 EStG gegen die Unschuldsvermutung verstoßen.
1. Will sich ein Mitteilungspflichtiger gegen die Auferlegung eines Verspätungsgeldes wegen verspäteter Übermittlung einer Rentenbezugsmitteilung wenden, hat er den Finanzrechtsweg zu beschreiten.
Da es sich beim Verspätungsgeld nach dem Gesetzeswortlaut nicht um eine Geldbuße handelt, mit der eine Ordnungswidrigkeit in einem Bußgeldverfahren geahndet werden könnte, sind die ordentlichen Gerichte nicht zuständig (vgl. § 33 Abs. 3 FGO). Aufgrund der notwendigen Klarheit und Bestimmtheit der Vorschriften, die den Rechtsweg zuweisen, muss darauf abgestellt werden, dass der Gesetzgeber das Verspätungsgeld ausdrücklich nicht als eine Geldbuße angesehen hat. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Rechtsnatur des Verspätungsgeldes ist in diesem Bereich nicht vorzunehmen.
2. Die Regelung des § 22a Abs. 5 Satz 3 EStG, wonach den Mitteilungspflichtigen die Darlegungslast für ein fehlendes Vertretenmüssen trifft, verstößt insbesondere nicht gegen die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK, wonach jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig gilt.
Unter Zugrundelegung der einschlägigen Rechtsprechung des EGMR, insbesondere unter Berücksichtigung der sog. Engel-Kriterien, ist das in § 22a Abs. 5 EStG vorgesehene Verspätungsgeld nicht dem Bereich des Strafrechts zuzurechnen, sodass Art. 6 Abs. 2 EMRK nicht anzuwenden ist.
Hinzu kommt, dass auch der EGMR in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, dass Tatsachen- und Rechtsvermutungen durch Art. 6 Abs. 2 EMRK selbst im Strafrecht im Grundsatz nicht verboten wären, sofern derartige Vermutungen nur in angemessenen Grenzen unter Berücksichtigung der betroffenen Rechtsgüter vorgesehen werden und die Verteidigungsrechte sichergestellt sind.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 20.2.2019 – X R 32/17