Der zivilrechtliche Wohnsitz hat vor allem Bedeutung für folgende Fragen:
1.6.1 Allgemeiner Gerichtsstand für Zivilprozesse
Bei zivilrechtlichen Klagen bestimmt sich der allgemeine Gerichtsstand nach dem Wohnsitz des Beklagten Der allgemeine Gerichtsstand, der immer dann Bedeutung hat, wenn nicht für den Klagegegenstand ein besonderer oder ausschließlicher Gerichtsstand gilt, bestimmt, welches Zivilgericht örtlich für eine zivilrechtliche Klage zuständig ist.
1.6.2 Zuständigkeiten bei Strafprozessen
Bei Strafprozessen ist grundsätzlich das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Straftat begangen wurde. Daneben kann auch das Strafgericht zuständig sein, in dessen Bezirk der Angeschuldigte zur Zeit der Erhebung der Klage seinen Wohnsitz hat. Ersatzweise kann auch hier auf den gewöhnlichen Aufenthalt und wenn das nicht weiter hilft, auf den letzten Wohnsitz abgestellt werden. Treffen mehrere Gerichtsstände zusammen, wird das Gericht ausschließlich zuständig, dass die Untersuchung zuerst eröffnet. Trotzdem kann es sinnvoll sein, dass ein anderes Gericht zuständig wird, insbesondere wenn bei kleineren Delikten das zuerst tätige Gericht weit vom Wohnsitz des Angeschuldigten entfernt liegt. Hier besteht die Möglichkeit, die Zuständigkeit auf ein anderes dem Grunde nach auch zuständigen Gericht zu übertragen.
Geltung in Steuerstarfverfahren
Da die Regelungen der StPO auch für Steuerstrafverfahren gelten, soweit die Regeln der AO keine Besonderheiten enthalten, sind die oben genannten Grundsätze ebenfalls im Steuerstrafverfahren von Bedeutung (vgl. § 385 AO).
1.6.3 Festlegung des Leistungsorts
Ist einem Schuldverhältnis, z. B. Kaufvertrag oder Werkvertrag, nicht zu entnehmen, an welchem Ort die Leistung zu erfolgen hat und lässt sich der Leistungsort auch nicht aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses entnehmen, schreibt § 269 BGB den Leistungsort verbindlich vor. Die Leistung ist im Zweifel am Wohnsitz des Schuldners zum Zeitpunkt des Abschlusses des Schuldverhältnisses zu leisten (vgl. § 269 Abs. 1 BGB). Ausnahmen davon gelten z. B. bei Geldleistungen (vgl. nachfolgenden Punkt).
Umsatzsteuerliche Auswirkungen
Die Bestimmung des Leistungsorts kann sich auf die Frage, wann eine Lieferung zu einem umsatzsteuerbaren Umsatz führt, auswirken. Denn grundsätzlich wird der Leistende (= Schuldner) einer Leistung nur frei, wenn er die Leistung am richtigen Ort erbringt. Liefert ein Unternehmen einen Gegenstand nicht an den gesetzlich vorgeschriebenen oder individuell vereinbarten Leistungsort, kann er zwar dem Empfänger das Eigentum daran verschaffen, aber trotzdem verpflichtet bleiben, einen solchen Gegenstand noch einmal an den richtigen Ort zu liefern.
Hier stellt sich die Frage, ob mit einer solchen "Falschlieferung" bereits eine entgeltliche Leistung im Sinne der Umsatzsteuer erfolgt ist, m.a.W. ob dadurch bereits die Leistung umsatzsteuerbar ausgeführt wurde, obwohl die schuldrechtliche Verpflichtung nicht erfüllt wurde.
Das richtet sich nach umsatzsteuerlichen Regeln. Eine Leistung ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt, wenn der Leistungsempfänger die Verfügungsmacht über den zu liefernden Gegenstand erhält und die Verfügungsmacht gegen Entgelt eingeräumt wird.
- 1. Alternative: Verweigert der Leistungsempfänger die Annahme des an einen falschen Ort gelieferten Gegenstandes, erhält er auch keine Verfügungsmacht daran. Die Leistung wird nicht ausgeführt, ein umsatzsteuerbarer Umsatz liegt (noch) nicht vor.
- 2. Alternative: Anders ist der Fall zu beurteilen, wenn der gelieferte Gegenstand, beispielsweise von einem Mitarbeiter, der mit den Einzelheiten des Vertrages nicht vertraut ist, am falschen Lieferort tatsächlich angenommen wird. Mit der Annahme der Leistung durch einen Mitarbeiter erhält der Leistungsempfänger, für den der Mitarbeiter den Gegenstand annahm, die tatsächliche Verfügungsmacht über den Gegenstand. Das bedeutet aber nicht zugleich, dass damit automatisch die schuldrechtliche Pflicht des Leistenden nach § 362 BGB erlischt.
Eine Leistung wird ausgeführt, wenn der Leistungsempfänger die Verfügungsmacht über den zu liefernden Gegenstand erhält und dies um der Gegenleistung willen erfolgt. Ob eine solche synallagmatische Verbindung zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, beantwortet sich in Zweifelsfällen nach dem Inhalt des schuldrechtlichen Vertrags.
Wird eine Leistung am falschen Ort ausgeführt, hat der Leistende in der Regel subjektiv die Erwartung, seine Leistung um der Gegenleistung willen zu erbringen. Aber die Leistung an diesem Ort ist objektiv nicht geeignet, das Entgelt auszulösen. Folglich fehlt es in diesen Fällen u. E. an der synallagmatischen Verknüpfung der am falschen Ort gelieferten Leistung mit der vereinbarten Gegenleistung. Dies zeigt sich vor allem darin, dass der Leistende gegenüber dem Leistungsempfänger grundsätzlich einen Anspruch auf Herausgabe des Gegenstandes aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 ff. BGB hat...