Leitsatz
Die Zahlung einer in einem Ausbildungsverhältnis begründeten Vertragsstrafe kann zu Erwerbsaufwendungen (Werbungskosten oder Betriebsausgaben) führen.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 10 Abs. 1 Satz 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG
Sachverhalt
Der Kläger hatte sich gegenüber dem Freistaat Bayern verpflichtet, sich zum Amtsarzt ausbilden zu lassen und nach Abschluss der Ausbildung mindestens zehn Jahre als vollbeschäftigter Arzt in Einrichtungen und an Orten tätig zu sein. Bei einem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst hatte der Kläger eine Vertragsstrafe zu zahlen. Nach Abschluss des Medizinstudiums war der Kläger vereinbarungsgemäß im öffentlichen Gesundheitsdienst als Arzt tätig.
Ende 1995 schied der Kläger vorzeitig aus dem öffentlichen Dienst aus. Die fällige Vertragsstrafe betrug 100.000 DM. Anschließend war der Kläger als Chirurg selbstständig tätig.
In seiner ESt-Erklärung 1996 machte der Kläger die Vertragsstrafe zuzüglich Finanzierungskosten als Werbungskosten geltend. Das FA berücksichtigte demgegenüber nur Aufwendungen i.H.v. 1.800 DM als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Die Klage war nur teilweise erfolgreich.
Entscheidung
Die Revision des Klägers war erfolgreich. Die Zahlungen seien als Erwerbsaufwendungen zu berücksichtigen. Mangels steuerlicher Auswirkung könne offen bleiben, ob die Zahlungen als (nachträgliche) Werbungskosten oder (vorab entstandene) Betriebsausgaben zu berücksichtigen seien. Eine Zuordnung zu den Sonderausgaben scheide jedenfalls aus.
Hinweis
1. Musste der Empfänger eines Ausbildungsdarlehens dieses nebst einem Zuschlag zurückzahlen, so wurden nach bisheriger Rechtsprechung (vgl. BFH, Urteil vom 28.2.1992, VI R 97/89, BStBl II 1992, 834) die Aufwendungen für den Zuschlag dann als beschränkt abziehbare Ausbildungskosten nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG a.F. behandelt, wenn damit nachträglich die im Zusammenhang mit der Ausbildung gewährten Vorteile abgegolten werden sollten und wenn der Zuschlag nicht weitaus überwiegend als Druckmittel zur Einhaltung der vorvertraglichen Verpflichtung zur Einhaltung eines langfristigen Arbeitsverhältnisses dienen sollte. Auf diese Rechtsprechung berief sich im Streitfall sowohl das FA als auch das FG.
Indessen ist diese ältere Rechtsprechung im Hinblick auf die steuerliche Behandlung von Bildungsaufwendungen als Erwerbsaufwendungen überholt (vgl. hierzu statt vieler BFH-Urteile vom 4.12.2002, VI R 120/01, BFH-PR 2003, 97 und VI R 137/01, BFH-PR 2003, 98; zuletzt vom 20.7.2006, VI R 26/05, BFH-PR 2006, 395 – Aufwendungen für ein Erststudium als Werbungskosten).
2. Auch im Streitfall prüfte der BFH folgerichtig, ob der Zahlung der Vertragsstrafe wegen vorzeitigem Ausscheiden aus dem Berufsverhältnis ein erwerbsbezogener Veranlassungszusammenhang zugrunde lag. Der BFH hat dies bejaht. Er betonte abermals, dass der Sonderausgabentatbestand des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG a.F. keine Sperrwirkung dahingehend entfaltet, dass der Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 EStG bei einer erstmaligen Berufsausbildung stets ausgeschlossen wird. Auch im Streitfall konnte die vorrangige Wertung der Vertragsstrafe als Erwerbsaufwand nicht durch § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG a.F. verdrängt werden.
3. Der BFH ließ ferner dahingestellt, ob die Vertragsstrafe wirtschaftlich vorrangig dem bisherigen Dienstverhältnis oder der angestrebten selbstständigen Tätigkeit zuzuordnen war. Denn beide Fälle sind beruflich veranlasst.
Es spricht allerdings viel dafür, dass im Streitfall (vorab entstandene) Betriebsausgaben vorlagen. Denn auslösendes Moment bzw. prägend für die Zahlung der Vertragsstrafe war (wohl) in erster Linie das Bestreben des Klägers, als selbstständiger Chirurg (höhere) Einnahmen zu erzielen.
4. Ab VZ 2004 hat der Gesetzgeber bestimmte Berufsausbildungskosten vom Abzug als Erwerbsaufwendungen ausgeschlossen. Diese beschränkte Abzugsfähigkeit von Ausbildungskosten dürfte sich indessen aufgrund der angeführten Rechtsprechung auf Fälle der vorliegenden Art nicht auswirken.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.6.2006, VI R 5/03