Für eine wirksame Stellvertretung ist das Handeln mit Vertretungsmacht erforderlich. Vertretungsmacht ist die vertraglich oder per Gesetz eingeräumte Rechtsmacht, einen anderen zu berechtigen und zu verpflichten. Bei der rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht spielt die Vollmacht eine zentrale Rolle, § 166 Abs. 2 BGB.
3.2.1 Vollmachtserteilung
Die Vollmacht kann
- ausdrücklich oder konkludent,
- widerruflich oder unwiderruflich,
- als Außen- oder als Innenvollmacht
erteilt werden.
Im Fall der Innenvollmacht erfolgt die Erklärung des Vertretenen gegenüber dem Vertreter, im Falle der Außenvollmacht gegenüber dem Dritten, demgegenüber die Vertretung erfolgen soll. Die Unterscheidung hat Folgen für den Fall des Widerrufs: Zwar kann die Vollmacht in beiden Fällen gegenüber dem Vertreter widerrufen werden, im Fall der Außenvollmacht bleibt der Widerruf jedoch gegenüber dem Dritten ohne Wirkung, solange er nicht auch ihm vom Vollmachtgeber angezeigt wird, § 170 BGB. Wurde eine Innenvollmacht erteilt und dem Dritten davon eine besondere Mitteilung gemacht, bleibt die Vollmacht bestehen, bis die Kundgebung in derselben Weise, wie sie erfolgt ist, widerrufen wird, § 171 Abs. 2 BGB.
Vollmachten im Zweifel immer schriftlich erteilen
Die Vollmacht ist zwar grundsätzlich formfrei. Nach § 167 BGB bedarf sie "nicht der Form, welche für das Rechtsgeschäft bestimmt ist, auf das sich die Vollmacht bezieht". Dennoch muss auch die Vollmachtserklärung die Form des Vertretergeschäfts einhalten, wenn der Vertretene bereits durch die Vollmachtserteilung rechtlich und tatsächlich so gebunden wird, wie durch die Vornahme des Vertretergeschäfts selbst.
Eine unwiderrufliche Vollmacht zum Kauf oder Verkauf eines Grundstücks muss deshalb nach ständiger Rechtsprechung in der notariellen Form des § 311b BGB erteilt werden, um wirksam zu sein. Auch die Erteilung einer widerruflichen Vollmacht zur Abgabe einer Bürgschaftserklärung bedarf der Form des § 766 Satz 1 BGB, wie der BGH festgestellt hat (vgl. Grundsatzentscheidung des BGH, Urteil v. 29.2.1996, IX ZR 153/95).
3.2.2 Anscheins- und Duldungsvollmacht
Es gibt Fälle, in denen es an einer tatsächlichen Bevollmächtigung des Vertreters fehlt, in denen der Vertretene zu keiner Zeit – weder ausdrücklich noch konkludent – eine Vollmacht erteilt hat. Dennoch muss er das Verhalten des Vertreters, der in seinem Namen nach außen auftritt, gegen sich gelten lassen, wenn er "den Rechtsschein einer wirksamen Vertretung zurechenbar veranlasst hat" und der Dritte auf eben diesen Rechtsschein vertraut. Hat der vermeintlich Vertretene dazu beigetragen, dass sich dem Dritten der Schein einer Vollmacht bietet, dann ist der Dritte schutzwürdiger als er selbst. Der "Vertretene" wird dann im Interesse des Dritten so behandelt, als hätte er den "Vertreter" tatsächlich bevollmächtigt; er wird also aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet. Zusammengefasst werden solche Fälle mit den Begriffen der Anscheins- und Duldungsvollmacht.
Im Fall der Duldungsvollmacht ist dem "Vertretenen" das Auftreten des Vertreters bekannt, gleichwohl unternimmt er nichts dagegen.
Im Fall der Anscheinsvollmacht ist es ihm nicht bekannt, doch hätte er es bei gebührender Sorgfalt erkennen und verhindern können.
Duldungs- und Anscheinsvollmacht
M ist am Messestand der Bootswerft B-AG beschäftigt. Er ist weder Organ der Gesellschaft, noch hat er Vollmacht zum Abschluss von Verträgen. Dessen ungeachtet führt M, der einen Messeausweis mit dem Logo der B-AG trägt, Verkaufsgespräche mit dem interessierten Kunden K, der ihn in Anbetracht der Situation für einen Vertreter des Ausstellers hält. Am ersten Messetag verkauft M ihm ein Beiboot zum Listenpreis. Am zweiten Messetag gelingt es ihm, K mit einem äußerst großzügigen Rabatt zum Kauf einer Fahrtenyacht zu bewegen. Verträge und Rechnungen fertigt er auf Geschäftsbriefbögen der AG aus. Bei der B-AG will man diesen Vertrag wegen des übermäßigen Preisnachlasses nicht erfüllen und beruft sich auf fehlende Vertretungsmacht des M.
Im Ergebnis muss sich hier die B-AG das Verhalten des M zurechnen lassen. Sein Auftreten als vertretungsberechtigter Mitarbeiter begründete eine Duldungsvollmacht für den Fall, dass seine vorangegangenen Verkäufe bekannt waren, aber nicht beanstandet und unterbunden wurden; waren sie dagegen unerkannt erfolgt, resultiert jedenfalls eine Anscheinsvollmacht daraus, dass die B-AG mit der Beschäftigung des M am Messestand den Rechtsschein einer wirksamen Vertretung zurechenbar veranlasst hat und es der Firmenleitung möglich gewesen wäre, das tatsächliche Verhalten des M zu kontrollieren und seine Verkaufsaktivität im Namen der AG zu verhindern.
Bei Rechtsgeschäften im anonymen Internet kommt es häufiger vor, dass Waren unter Nutzung fremder Account-Daten bestellt werden. So beschäftigte sich der BGH mit der Frage, ob der Inhaber eines eBay-Accounts vertraglich durch Erklärungen gebunden wird, die ein Dritter unter unbefugter Verwendung seines Acco...