Leitsatz
1. Strom wird nur dann i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG"aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt", wenn dabei tatsächlich – physikalisch – und nicht nur bei einer kaufmännisch-bilanziellen Betrachtungsweise erneuerbare Energieträger verwendet werden.
2. Strom, der mit einem aus dem öffentlichen Versorgungsnetz entnommenen Gasgemisch erzeugt wird, das neben Erdgas auch aus Biomasse erzeugtes Gas enthält, ist nicht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG von der Steuer befreit, weil Strom aus erneuerbaren Energieträgern nach § 2 Nr. 7 StromStG nur dann vorliegt, wenn er ausschließlich aus Wasserkraft, Windkraft, Sonnenenergie, Erdwärme, Deponiegas, Klärgas oder aus Biomasse erzeugt wird.
Normenkette
§ 2 Nr. 7, § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist ein Energieversorgungsunternehmen, das Letztverbraucher mit elektrischem Strom beliefert. In zwei Blockheizkraftwerken (BHKW) erzeugte sie Strom. Das Gas zur Erzeugung des Stroms in den BHKW entnahm die Klägerin aus dem öffentlichen Gasnetz, in das u.a. Biogas, das in einer Biogas-Aufbereitungsanlage eines Dritten erzeugt wurde, eingeleitet wurde und sich dort mit dem übrigen Gas vermischte. Aufgrund eines sog. Massebilanzsystems konnte das entnommene Gas kaufmännisch-bilanziell dem eingespeisten Biogas zugerechnet werden. Tatsächlich hatte die Klägerin allerdings ein Gasgemisch entnommen.
Die Klägerin machte die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG geltend, was das Hauptzollamt ablehnte, weil kein Strom aus erneuerbaren Energieträgern für den Betrieb der BHKW verwendet worden sei.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG urteilte, der Klägerin stehe kein Anspruch auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG für den in den BHKW erzeugten Strom zu, weil es dabei auf eine physikalische Verwendung von Biogas zur Erzeugung von Strom ankomme (FG München, Urteil vom 24.9.2020, 14 K 2221/18, Haufe-Index 14446852). Ein Gemisch von begünstigtem und nicht begünstigtem Gas – wie im Streitfall – sei nicht begünstigt.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
Im Streitfall ging es um die Steuerbefreiung von Strom aus erneuerbaren Energieträgern nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG.
1. Aus der Erwägung 25 der RL 2003/96/EG ergibt sich, dass der Einsatz alternativer Energiequellen (erneuerbare Energieträger) eine steuerliche Vorzugsbehandlung rechtfertigen kann. Konkret ist in Art. 15 Abs. 1 Buchst. b RL 2003/96/EG vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten uneingeschränkte oder eingeschränkte Steuerbefreiungen oder Steuerermäßigungen gewähren können für Strom u.a. aus der Nutzung der Sonnenenergie, Windkraft, Wellen- oder Gezeitenenergie oder Erdwärme, aus Wasserkraftwerken, aus Biomasse oder aus mit Biomasse erzeugten Energieerzeugnissen.
Im Streitjahr 2015 war Strom aus erneuerbaren Energieträgern steuerbefreit, wenn dieser aus einem ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energieträgern gespeisten Netz oder einer entsprechenden Leitung entnommen wurde. In der aktuellen Fassung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG (Gesetz zur Neuregelung von Stromsteuerbefreiungen sowie zur Änderung energiesteuerrechtlicher Vorschriften vom 22.6.2019, BGBl I 2019, 856) verzichtet der Gesetzgeber auf das Erfordernis des sog. Grünstromnetzes, im Übrigen kommt es jedoch weiterhin darauf an, dass der Strom aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt wird.
2. Strom aus erneuerbaren Energieträgern ist gemäß § 2 Nr. 7 StromStG"Strom, der ausschließlich aus Wasserkraft, Windkraft, Sonnenenergie, Erdwärme, Deponiegas, Klärgas oder aus Biomasse erzeugt wird, ausgenommen Strom aus Wasserkraftwerken mit einer installierten Generatorleistung über zehn Megawatt". Aus der Verwendung des Begriffs "ausschließlich" hat der BFH geschlussfolgert, dass die Herstellung von Strom mit Gas aus dem allgemeinen Gasnetz, in das Biogas eingeleitet worden ist und das sich mit dem dort vorhandenen Erdgas vermischt hat, nicht begünstigt ist. Auch die Gesetzeshistorie stützt diese Auslegung. Denn aus dem Erfordernis des sog. Grünstromnetzes wurde deutlich, dass der Gesetzgeber nur die Energieerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern fördern wollte und ihm die räumliche Komponente durchaus bewusst war.
3. Der BFH weist ausdrücklich auf die praktischen Schwierigkeiten hin: Denn am Ort der Erzeugung von Biogas bestehen oftmals keine ausreichenden Nutzungsmöglichkeiten, deshalb muss das erzeugte Biogas in das allgemeine Gasnetz eingespeist werden, damit es an anderer Stelle genutzt werden kann. Diese räumlichen Erfordernisse können jedoch nur durch den Gesetzgeber angemessen berücksichtigt werden; das ist nicht Aufgabe der Gerichte.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 17.1.2023 – VII R 54/20