Leitsatz
1. Die Abgabe von fertig zubereiteten Speisen aus einem Imbisswagen unterliegt als Dienstleistung dem Regelsteuersatz, wenn aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers das Dienstleistungselement der Speisenabgabe überwiegt; dagegen ist die bloße Abgabe von fertig zubereiteten Speisen aus einem Imbisswagen "zum Mitnehmen" eine nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1993 ermäßigt zu besteuernde Lieferung.
2. Bei der Beurteilung, ob das Dienstleistungselement der Abgabe von fertig zubereiteten Speisen überwiegt, sind nur solche Dienstleistungen zu berücksichtigen, die sich von denen unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbunden sind.
3. Der Wortlaut des § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG 1993 in der seit 27.6.1998 geltenden Fassung ist nicht in vollem Umfang gemeinschaftsrechtskonform.
Normenkette
§ 3 Abs. 1, § 3 Abs. 4, § 3 Abs. 9, § 12 Abs. 2 Nr. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3, Anhang H Nr. 1 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger betrieb (Streitjahre 1997 und 1998) einen Imbisswagen (schmale Ablagetheke, kleine Überdachung), den er auf Karnevals- und Kirmesveranstaltungen, Jahrmärkten und Weihnachtsmärkten einsetzte (Pommes, Backfisch, Currywurst auf Papptellern). Der Imbisswagen stand regelmäßig neben einem Getränkestand eines anderen Unternehmers, an dem Tische und Stühle aufgestellt waren, die auch die Kunden des Klägers benutzen konnten.
Der Kläger meinte, es handle sich um die – begünstigte – Abgabe von fertigen Speisen, das FA sah dies teilweise anders, das FG bestätigte den Kläger.
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf. Auch Verzehrvorrichtungen, die einem Dritten gehören, sind in die Würdigung einzubeziehen, wenn sie zumindest auch im Interesse des leistenden Unternehmers zur Verfügung gestellt werden. Das hatte das FG nicht berücksichtigt.
a) Aufgrund der Feststellungen des FG erbrachte der Kläger Dienstleistungen, soweit er seinen Kunden mit Hilfe seiner Standnachbarn eine "Infrastruktur" bereitstellte, die nicht notwendig mit der Vermarktung zubereiteter Speisen zusammenhing. Aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers gab der Kläger nicht nur zubereitete Speisen ab, sondern hielt auch unmittelbar neben seinem Imbisswagen Tische, Bänke oder Stühle bereit, an denen die gekauften Speisen sitzend verzehrt werden konnten. Auf welcher Rechtsgrundlage (hier: Duldung) und von wem (hier: von Standnachbarn) die Sitzplätze dem Kläger zur Bereitstellung an seine Kunden überlassen wurden, in wessen Eigentum sie standen und wer sie anschließend reinigte, ist unter Umständen wie denen des Streitfalls aus der Sicht eines Kunden unerheblich.
b) Entgegen der Auffassung des FA war die "Theke" nicht entscheidungserheblich. Auch die Zubereitung der Speisen selbst ist – als notwendige Vorstufe der Vermarktung einer zubereiteten Speise – im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung nicht zu berücksichtigen. Unzutreffend ist deshalb die Auffassung, verzehrfertige Speisen seien generell nicht begünstigt.
Auch dass der Kläger die Speisen "zum Mitnehmen" in Papierservietten oder Einwegschälchen und mit Einweggabeln abgegeben sowie auf Wunsch Senf, Ketchup, Mayonnaise oder Apfelmus beigefügt hat, war insoweit unschädlich. Dies gilt auch für die Bereitstellung von Abfalleimern, da die Rücknahme von Verkaufsverpackungen notwendig mit der Vermarktung von Lebensmitteln verbunden und i.Ü. nach der Verpackungsverordnung 1998 erforderlich ist.
Hinweis
Der Fall betrifft z.T. § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG a.F., z.T. § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG 1993, die allerdings mit der gleichen Zielsetzung die "Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle" betreffen.
Vorausgeschickt sei: Nationale Sonderregelungen zur Abgrenzung "Lieferung und sonstige Leistung" sind grundsätzlich richtlinienwidrig. Sie sind anwendbar, soweit sie den mit den Kriterien der Rechtsprechung zur Abgrenzung Lieferung/Dienstleistung, wie sie der EuGH entwickelt hat, vereinbar sind. "Verzehrvorrichtungen" (§ 3 Abs. 9 Satz 4 UStG)können deshalb zwar ein Indiz dafür sein, dass keine Lieferung von Speisen vorliegt. Gemeinschaftsrechtlich ist aber nicht jede "Abgabe von Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle" eine Dienstleistung.
Maßgeblich sind allein die – vom EuGH mehrfach präzisierten – Abgrenzungsmerkmale: Ob bestimmte Umsätze Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen sind, richtet sich nach ihrem Wesen. Dieses ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aus der Sicht eines Durchschnittsbetrachters zu ermitteln. Für die Vermarktung eines Gegenstands betont der EuGH, weil die Vermarktung immer mit einer minimalen Dienstleistung, wie dem Darbieten der Waren in Regalen, dem Ausstellen einer Rechnung usw., verbunden ist, können bei der Beurteilung des Dienstleistungsanteils an der Gesamtheit eines komplexen Geschäfts, zu dem auch die Lieferung eines Gegenstands gehört, nur die Dienstleistungen berücksichtigt werden, die sich von denen unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung eines Gegenstands verbunden si...