Leitsatz
Ein Steueranspruch ist auch dann gem. § 233a AO zu verzinsen, wenn sich infolge der Berücksichtigung eines Verlustrücktrags keine Abweichung zwischen der neu festgesetzten und der zuvor festgesetzten Steuer ergibt.
Normenkette
§ 233a AO
Sachverhalt
Der Kläger, ein Verein, gab für das Streitjahr 2000 zunächst keine KSt-Erklärung ab. Daraufhin erließ das FA einen KSt-Bescheid, in dem die Besteuerungsgrundlagen geschätzt waren. Er ging darin von einem Einkommen i.H.v. 7.500 DM aus und setzte die Steuer auf 0 € fest.
Im Oktober 2003 gab der Kläger eine KSt-Erklärung für das Jahr 2001 ab. Daraufhin setzte das FA im Mai 2004 die KSt 2001 auf 0 € fest, wobei es von Einkünften i.H.v. ./. 126.662 DM ausging.
Im März 2004 ging beim FA eine KSt-Erklärung des Klägers für das Streitjahr ein, in der ein zu versteuerndes Einkommen von 42.963 DM erklärt wurde. Daraufhin erließ das FA am 11.5.2004 einen geänderten KSt-Bescheid, in dem bei einer Summe der positiven Einkünfte von 23.962 DM und einem Verlustrücktrag i.H.v. ebenfalls 23.962 DM die Steuer erneut auf 0 € festgesetzt wurde. Ferner erging am 18.4.2005 ein Bescheid, in dem für den Zeitraum vom 1.4.2002 bis zum 1.4.2003 Zinsen zur KSt 2000 i.H.v. 201 € festgesetzt wurden. Dieser Zinsberechnung wurde eine fiktive Steuer i.H.v. 3.350 € zugrunde gelegt; dabei handelt es sich um denjenigen (abgerundeten) Betrag, der sich für das Streitjahr ohne Berücksichtigung des Verlustrücktrags aus 2001 ergeben hätte.
Die anschließende Klage hatte Erfolg (EFG 2006, 863).
Entscheidung
Der BFH sah das anders und hielt die Verzinsungspflicht für begründet. Einzelheiten zu den hoch komplizierten Verzinsungsregeln finden sich in den Praxis-Hinweisen.
Hinweis
1. Nach § 233a Abs. 1 AO ist, wenn die Festsetzung der KSt zu einem Unterschiedsbetrag i.S.d. § 233a Abs. 3 AO führt, dieser zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233a Abs. 2 Satz 1 AO).
2. Der für die Verzinsung maßgebliche Unterschiedsbetrag bemisst sich nach der festgesetzten Steuer abzüglich der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, der anzurechnenden KSt und der bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vz (§ 233a Abs. 3 Satz 1 AO); wird die Steuerfestsetzung später geändert, so ist für die Zinsberechnung der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten und der zuvor festgesetzten Steuer – jeweils vermindert um anzurechnende Steuerabzugsbeträge und anzurechnende KSt – maßgeblich (§ 233a Abs. 5 Satz 2 AO).
3. Was ist nun, wenn sich auf dieser Berechnungsbasis eine KSt von 0 errechnet?
Der BFH gelangt zu dem Ergebnis, dass dennoch eine (Nach-)Verzinsung stattzufinden hat. Denn:
§ 233a AO enthält in Abs. 2a und Abs. 7 Sonderregelungen, die u.a. die hier vorliegende Fallgestaltung betreffen, in der die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines Verlustabzugs nach § 10d Abs. 1 EStG beruht. In einem solchen Fall beginnt zum einen der Zinslauf – abweichend von der in § 233a Abs. 2 Satz 1 AO getroffenen Regelung – 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Verlust entstanden ist (§ 233a Abs. 2a AO). Zum anderen ist dann der in § 233a Abs. 3 AO definierte Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge aufzuteilen, für die jeweils gesonderte Zinsläufe anzusetzen und auf dieser Grundlage gesonderte Zinsen zu berechnen sind (§ 233a Abs. 7 Satz 1 AO).
Diese Vorschriften führen dazu, dass der Unterschiedsbetrag von 0 € in einen positiven Teil-Unterschiedsbetrag einerseits und einen gleich hohen negativen Teil-Unterschiedsbetrag andererseits aufzuteilen ist, und zwar mit unterschiedlichem Zinslauf-Beginn für den positiven Betrag sowie für den durch den Verlustrücktrag ausgelösten negativen Betrag. Für die Zwischenzeit kann sich eine Verzinsung nach Maßgabe des positiven Betrags ergeben.
Beide Teil-Unterschiedsbeträge sind also für Zwecke der Zinsberechnung getrennt voneinander zu betrachten, gleichviel, ob die Beträge des positiven und des negativen Teil-Unterschiedsbetrags ungleich sind. Deshalb ist davon auszugehen, dass die in § 233a Abs. 7 AO getroffene Regelung auch diejenige Situation erfassen soll, in der ein positiver mit einem gleich hohen negativen Teil-Unterschiedsbetrag zusammentrifft.
Konsequenz: Eine Zinspflicht kann sich nach allem auch dann ergeben, wenn in einem Steuerbescheid einerseits höhere Einkünfte als zuvor und andererseits ein bislang nicht berücksichtigter Verlustrücktrag angesetzt werden und dies per saldo nicht zu einer Änderung der festgesetzten Steuer führt.
4. Fazit: Vor allem der § 233a Abs. 7 AO ist dermaßen kompliziert, dass man geneigt sein könnte, diese Vorschrift nicht anders als § 2 Abs. 3 EStG a.F. wegen "struktureller Unverständlichkeit" – Stichwort: Prinzip der Normenklarheit und Normenfolgerichtigkeit – auf den Prüfstand des Verfassungsrechts zu stellen.
Wegen § 2 Abs. 3 EStG a.F. ist dies, wie sattsam bekannt und allseits freundlich aufgenommen, soeben durch den Vorlagebeschluss des XI. Senats des BFH an das BVerfG vom 6.9...