Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines Insolvenzverwalters auf Information nach § 1 Abs. 1 Informationsfreiheitsgesetz (IFG) des Bundes gegenüber einem Sozialversicherungsträger zur Vorbereitung einer Insolvenzanfechtung. Zugang, Information. Insolvenzverwalter. Insolvenzanfechtung. Gleichbehandlung. Geheimhaltungsinteresse. Sozialversicherungsträger. Krankenkasse
Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruch des Insolvenzverwalters nach § 1 Abs. 1 des Informationsfreiheitsgesetzes de Bundes besteht gegenüber einem Sozialversicherungsträger auch dann, wenn die Information der Vorbereitung einer Insolvenzanfechtung dient.
2. Dem Anspruch auf Informationszugang kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die Informationspflicht stelle eine Ungleichbehandlung gegenüber konkurrierenden Sozialversicherungsträgern dar, die keiner Informationspflicht unterliegen.
Normenkette
IFG § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, § 9 Abs. 3, § 1 Abs. 1, § 9 Abs. 3 Nrn. 1g, 6, 6 Sätze 2, 5; InsO §§ 97, 101
Tenor
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger vollständige Kontoauszüge über das bei der Beklagten geführte Beitragskonto der Frau C. T., F. weg 18, 33… I. für den Zeitraum 1. September 2007 bis 31. Dezember 2008 zugänglich zu machen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist durch Beschluss des Amtsgerichts C1. vom 2. September 2008 (Az: 43 IN 000/08) zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Frau C. T., F. weg 18, 33… I. (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) ernannt worden, unter deren Namen ihr Vater ein Unternehmen zum Vertrieb von Bauelementen betrieb. Arbeitnehmer dieses Betriebes waren bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.
Mit Schreiben vom 10. November 2009 forderte der Kläger vor dem Hintergrund der Geltendmachung von Insolvenzanfechtungsansprüchen die Rechtsvorgängerin der Beklagten (T1. J. IKK) auf der Grundlage des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz – IFG) auf, ihm Kontoauszüge zum Beitragskonto der Insolvenzschuldnerin für den Zeitraum 1. September 2007 bis 31. Dezember 2008 zu übersenden.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 3. Dezember 2009 verwies die Rechtsvorgängerin der Beklagten auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach gegenüber dem Insolvenzverwalter keine materielle Auskunftspflicht des (künftigen) Anfechtungsgegners im Insolvenzverfahren bestehe.
Der Kläger hat am 24. März 2010 (Untätigkeits-)Klage erhoben, mit der er sein Begehren aus dem Schreiben vom 10. November 2009 weiter verfolgt. Die Beklagte sei ihm als Insolvenzverwalter gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG zur Auskunft verpflichtet und zwar ungeachtet der Zwecke, für die die fragliche Information benötigt würde. Ein Missbrauch der Rechte aus dem IFG sei damit ebenso wenig verbunden wie eine Umgehung von zivilrechtlichen Darlegungs- bzw. Beweislastregelungen. Er sei als Insolvenzverwalter verpflichtet, die vollständige Buchhaltung der Insolvenzschuldnerin aufzuarbeiten und ggf. auch Anfechtungsrechte geltend zu machen. Die Beklagte unterliege als Behörde weitergehenden Verpflichtungen als die Privatwirtschaft. Der Kläger könne sich die Information nicht aus eigenen oder allgemein zugänglichen Quellen verschaffen. Die Insolvenzschuldnerin sei in den Geschäftsbetrieb des Unternehmens nicht involviert gewesen und könne dazu keine Angaben machen. Vielmehr habe ihr Vater den Betrieb geführt. Der Kläger habe bei Übernahme seiner Tätigkeit praktisch keinerlei Buchhaltung vorgefunden. Der Vater der Insolvenzschuldnerin behaupte, keine Unterlagen zu besitzen und sei zu keiner Auskunft bereit. Aus den spärlich vorhandenen Unterlagen ergebe sich, dass möglicherweise Zahlungen an die Beklagte geleistet worden seien, die der Insolvenzanfechtung unterliegen würden. Diese Zahlungen könnten aber nur teilweise nachvollzogen werden. Die Kenntnis darüber beruhe teilweise auf dem lückenhaften Erinnerungsvermögen der Insolvenzschuldnerin. Allein über die im Wege der Vollstreckung getätigten Zahlungen würden teilweise Belege vorliegen. Über den Verlauf des Kontos im fraglichen Zeitraum habe der Kläger keine Kenntnis. Unterlagen von Vollstreckungsbehörden seien keine allgemein zugänglichen Quellen im Sinne des IFG. Ausschlussgründe nach dem IFG seien nicht gegeben. Weder beeinträchtige die begehrte Auskunftserteilung die wirtschaftlichen Interessen der Beklagten i.S.d. § 3 Nr. 6 IFG, noch handele es sich um personenbezogene Daten nach § 5 IFG.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, ihm vollständige Kontoauszüge über das bei der Beklagten geführte Beitragskonto der Frau C. T., F. weg 18, 33… I. für den Zeitraum 1. September 2007 bis 31. Dezember 2008 ...