Leitsatz
Die Höhe der vom Arbeitgeber erbrachten Zukunftssicherungsleistungen i.S.d. § 3 Nr. 62 EStG ist für den Umfang der Kürzung des Vorwegabzugs ohne Bedeutung.
Normenkette
§ 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG , § 3 Nr. 62 EStG
Sachverhalt
Der nichtselbstständig tätige Kläger war wegen der Höhe seiner Einnahmen nicht pflichtversichert (jährlicher Bruttolohn ca. 500.000 DM). Er hatte bei der BfA eine freiwillige Versicherung und bei der DBV eine befreiende Lebensversicherung abgeschlossen. Seit 1.11.1993 bezog er Altersrente.
Sein Arbeitgeber leistete Zuschüsse zur freiwilligen Krankenversicherung (1993: 4.374 DM; 1994: 770 DM) und Arbeitgeberbeiträge zur Lebensversicherung (1993: 7.560 DM). Alle Zuschüsse blieben nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei.
Das FA kürzte 1993 und 1994 im Hinblick auf die Arbeitgeberzuschüsse die zusätzlichen Sonderausgaben von 12000 DM um 16 % des Arbeitslohns, wodurch der Vorwegabzug im Ergebnis entfiel. Die Klage hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Die Kürzung des Vorwegabzugs sei gerechtfertigt und verstoße nicht gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Entscheidend sei, dass überhaupt Zukunftssicherungsleistungen durch den Arbeitgeber erbracht worden seien.
Hinweis
Der Vorwegabzug ist eingeführt worden, um selbstständig Tätigen, die für ihre Altersvorsorge in vollem Umfang selbst aufkommen müssen, einen Ausgleich dafür zu bieten, dass bei Arbeitnehmern der gesetzliche Beitragsanteil des Arbeitgebers für Zukunftssicherungsleistungen als steuerfreier Arbeitslohn (und nicht als beschränkt abziehbare Sonderausgabe) behandelt wird.
Diesen Zweck erreicht das Gesetz, indem es den Vorwegabzug zunächst allen Steuerpflichtigen gewährt, in einem zweiten Schritt aber in § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG eine Kürzung des Vorwegabzugs um 16 % der Summe der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit anordnet, wenn für die Zukunftssicherung Leistungen i.S.d. § 3 Nr. 62 EStG erbracht worden sind.
Aus der Verwendung des Wortes "wenn" (statt "soweit") geht hervor, dass es bei der Kürzung nicht auf die Höhe der erbrachten Zukunftssicherungsleistungen ankommt, sondern allein auf den Umstand, dass überhaupt solche Leistungen erbracht worden sind. Deshalb ist – wie im Besprechungsfall – ein Steuerpflichtiger auch dann nicht zum Vorwegabzug berechtigt, wenn auf Grund besonderer Konstellationen die Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers geringer sind als der Vorwegabzug. Entscheidend ist, dass der Kürzungsbetrag von 16 % der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit (ohne Versorgungsbezüge) den Vorwegabzug übersteigt.
Eine solche generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelung kann der Gesetzgeber nach Auffassung des BFH bei der Ordnung von Massenerscheinungen (hier: Sonderausgabenabzug von Vorsorgeaufwendungen) treffen, ohne wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen.
Genauso wenig sieht der BFH darin einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder gegen das Übermaßverbot. Denn die Kürzung bezieht sich nicht auf die Höhe der Zukunftssicherungsleistungen, sondern auf den Umstand, dass der Gesetzgeber für eine Personengruppe, die von dritter Seite solche Leistungen steuerfrei bekommt, einen Bedarf für einen Vorwegabzug nicht sieht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 16.10.2002, XI R 61/00