Leitsatz
Die Beiträge für die gesetzliche Rentenversicherung und Arbeitgeberanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung, die der Bund nach § 15 des Gesetzes zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (FELEG) trägt, stellen bei den ehemaligen Arbeitnehmern der stillgelegten landwirtschaftlichen Unternehmen keinen Arbeitslohn dar.
Normenkette
§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG , § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG , § 9 FELEG , § 15 FELEG
Sachverhalt
Der Kläger war ehemals Arbeitnehmer in einem von der Stilllegung betroffenen landwirtschaftlichen Unternehmen. Er bezog im Streitjahr 1998 von der Landwirtschaftlichen Alterskasse Ausgleichsgeld (§ 9 FELEG) sowie die Eigenanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung. Daneben übernahm der Bund die Beiträge des Klägers zur gesetzlichen Rentenversicherung und die Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers.
Das FA behandelte die Beitragszahlungen des Bundes i.H.v. rd. 38.000 DM als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und ließ den beschränkten Sonderausgabenabzug nach § 10 EStG zu. Die Klage des Klägers, mit der er sich gegen die Versteuerung der Beitragszahlungen des Bundes wandte, war erfolgreich. Das FG hielt eine entsprechende Anwendung des § 3 Nr. 62 EStG für geboten.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des FA zurück. Das FG habe im Ergebnis zu Recht der Klage stattgegeben. Die vom Bund übernommenen Beiträge gehörten (von vornherein) nicht zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit (unausgesprochen: einer analogen Anwendung des § 3 Nr. 62 EStG bzw. die Behandlung des Bundes wie ein Arbeitgeber bedürfe es nicht).
Es handele sich weder um Leistungen aus einem bestehenden Dienstverhältnis. Ein solches Dienstverhältnis zu seinem (früheren) Arbeitgeber habe im Streitjahr nicht mehr bestanden. Dies ergebe sich auch aus dem Umstand, dass der Kläger Ausgleichsgeld beziehe. Voraussetzung hierfür sei die Stilllegung des landwirtschaftlichen Betriebs und – damit verbunden – die Beendigung der Beschäftigung des Klägers.
Zum anderen stellten die Zahlungen auch keine Vorteile aus früheren Dienstleistungen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) dar. Es handele sich weder um rückständigen Arbeitslohn noch um eine sonstige Entlohnung der früher geleisteten Arbeit. Die Leistungen des Bundes zur sozialen Absicherung der ehemals landwirtschaftlichen Beschäftigten dienten vielmehr sozialpolitischen Zwecken.
Letztlich handele es sich nicht um Zuwendungen eines Arbeitgebers, sondern um solche des Bundes aufgrund eigener gesetzlicher Verpflichtung.
Hinweis
1. Hintergrund des Falls: Das FELEG vom 21.2.1989 zielt(e) darauf ab, den Agrarmarkt durch Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit zu entlasten. Die gewünschte vorzeitige Aufgabe eines landwirtschaftlichen Unternehmens führte zum vorzeitigen Ausscheiden von Arbeitnehmern aus dem Erwerbsleben und damit insbesondere bei älteren Arbeitnehmern zu sozialen Härten. Das Gesetz enthält deshalb verschiedene Maßnahmen zur sozialen Absicherung der betroffenen Arbeitnehmer. Hierzu rechnen u.a. das – nach § 3 Nr. 27 EStG in begrenzter Höhe steuerfreie – Ausgleichsgeld. Ferner trägt der Bund die Beiträge für die gesetzliche Rentenversicherung und die Arbeitgeberanteile an den Kranken- und Pflegeversicherungen.
2. Beiträge des Arbeitgebers zur Zukunftssicherung des Arbeitnehmers stellen regelmäßig Arbeitslohn dar, weil sie sich als Ertrag der Arbeit erweisen; die Zahlungen werden "für" eine Beschäftigung gewährt (zur steuerlichen Behandlung des Arbeitgeberanteils zur Gesamtsozialversicherung: siehe auch BFH, Urteil vom 6.6.2002, VI R 178/97, BFH-PR 2003, 56).
3. Ein Veranlassungszusammenhang zwischen einer Beschäftigung des Arbeitnehmers und einer Zuwendung des Arbeitgebers ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH jedoch dann nicht gegeben, wenn Leistungen aufgrund einer gesonderten Rechtsbeziehung erbracht werden (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 20.3.2002, VI R 147/00, BFH-PR 2003, 268) bzw. wenn ein Arbeitgeber zu einer Leistung an den Arbeitnehmer aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet ist, mit denen der Gesetzgeber sozialpolitische Zwecke verfolgt. Letzteres hat der BFH in jüngster Zeit insbesondere in seinem Urteil vom 30.5.2001, VI R 159/99, BFH-PR 2001, 333 (Zuschüsse des Bundes an die Bahnversicherungsanstalt Abt. B) nochmals hervorgehoben.
4. Bei Leistungen durch einen Dritten (hier: Bund) ist stets sorgfältig zu prüfen, ob der Zusammenhang zwischen Leistung und Dienstverhältnis gewahrt ist. Dies ist der Fall, wenn der Dritte Verpflichtungen des (früheren) Arbeitgebers erfüllt (vgl. BFH, Urteil vom 21.2.2003, VI R 74/00, BFH-PR 2003, 344) und der Arbeitnehmer den erlangten Vorteil wirtschaftlich als Frucht seiner Dienstleistung für den Arbeitgeber betrachten kann.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 14.4.2005, VI R 134/01