Leitsatz
1. Das Gesetz enthält keine Regelungen über die Zulassung einer bestimmten Einrichtung zur Datenübermittlung von Vorsorgeaufwendungen oder über die Verweigerung der Entgegennahme weiterer Daten von einer bisher beanstandungsfrei mitteilenden Einrichtung.
2. Ob Beiträge an eine bestimmte Einrichtung materiell-rechtlich als Vorsorgeaufwendungen abziehbar sind und es sich bei dieser Einrichtung um eine mitteilungspflichtige Stelle handelt, ist – jedenfalls in nicht vollkommen eindeutigen Fällen – nicht durch einen Realakt der Sperrung des für die Datenübermittlung erforderlichen Passworts und das sich hieran ggf. anschließende Verfahren einer allgemeinen Leistungsklage zu klären, sondern in den Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren derjenigen Steuerpflichtigen, die Beiträge an die Einrichtung als Sonderausgaben geltend machen.
3. Für die nach § 40 Abs. 2 FGO erforderliche Beschwer genügt es, wenn das Klagevorbringen eine Rechtsverletzung zumindest als möglich erscheinen lässt, wobei in die Betrachtung, ob eigene Rechte verletzt sind, auch die Grundrechte einzubeziehen sind. Insoweit können faktische und mittelbare Beeinträchtigungen ausreichend sein.
4. Hat eine Behörde durch Realakt gehandelt, kommt als Grundlage für dessen Beseitigung der allgemeine öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht. Auch dieser kann aus den Grundrechten abgeleitet werden.
Normenkette
§ 5 Abs. 4 und 6 AltvDV, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 18 FVG, § 40 Abs. 2 FGO, § 10 Abs. 2 Satz 1, Abs. 2a Sätze 1 und 4 EStG, Art. 12 Abs. 1 GG
Sachverhalt
Der Kläger ist ein Verein, der derzeit nicht der Versicherungsaufsicht unterliegt. Dessen Mitglieder leisten einkommensabhängige Beiträge zur Krankheitsabsicherung. Die Hälfte dieser Beiträge wird einem Individualkonto des Mitglieds gutgeschrieben, die andere Hälfte der Beiträge wird hingegen einem Solidarfonds gutgeschrieben, aus dem weitere Unterstützungen an die Mitglieder erbracht werden können. Einen Anspruch auf Leistung besteht nur in Fällen der medizinischen Notwendigkeit (zur Frage der Abziehbarkeit der Beiträge siehe auch BFH, Urteil vom 12.8.2020, X R 12/19, BFH/PR 2021, 178).
Der Kläger nahm seit 2013 an dem Datenübermittlungsverfahren nach § 10 Abs. 2a EStG teil. Ab 2016 durfte er der ZfA keine Daten mehr übermitteln. Die ZfA begründete ihre Ablehnung damit, dass der Kreis der Teilnehmer an der Datenübermittlung – die mitteilungspflichtigen Stellen – abschließend gesetzlich definiert sei. Hierzu gehöre der Kläger nicht, da er keine Einrichtung sei, die eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall gewähre, weil seine Mitglieder keinen Rechtsanspruch auf Leistungen hätten.
Das FG gab der Klage statt und verpflichtete die ZfA, dem Kläger unter seiner bisherigen Kundennummer den technischen Zugang zum Meldeverfahren der Finanzverwaltung zu ermöglichen und die eingehenden Meldungen weiterzuleiten (FG Berlin-Brandenburg, Entscheidung vom 28.6.2018, 5 K 5085/16, Haufe-Index 14370578, EFG 2019, 158).
Entscheidung
Die Revision der ZfA war aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen unbegründet.
Hinweis
1. Für ein Versicherungsunternehmen ist die Möglichkeit, an dem Datenübermittlungsverfahren mit Datenweiterleitung an die Landesfinanzverwaltung durch die zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) teilzunehmen, evident wichtig. Zwar ist diese keine Voraussetzung für den Sonderausgabenabzug von Vorsorgeaufwendungen bei den Versicherten, ihren Kunden. Das Fehlen der übermittelten Daten bedeutet bei der Einkommensteuerveranlagung des Versicherten jedoch faktisch eine Umkehr der Beweislast.
2. Darf ein Versicherer an dem Datenübermittlungsverfahren teilnehmen, wenn Zweifel daran bestehen, ob er die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllt, also überhaupt mitteilungspflichtig ist? Erstaunlicherweise gibt das Gesetz keine Antwort. Es fehlen gesetzliche Regelungen zur Zulassung zur Datenübermittlung und zur Verweigerung der Entgegennahme weiterer Daten von einer bisher beanstandungsfrei mitteilenden Stelle durch die ZfA:
- Nach § 5 Abs. 4 i.V.m. Abs. 6 AltvDV erhalten die mitteilungspflichtigen Stellen i.S.d. § 10 Abs. 2a EStG von der ZfA – als Realakt – eine Kundennummer und ein Passwort, die den Zugriff auf den geschützten Bereich des Internets der zentralen Stelle ermöglichen. Regelungen über ein – wie auch immer ausgestaltetes – Zulassungsverfahren sind in der AltvDV aber nicht enthalten, ebenso wenig wie Regelungen für einen Entzug der Kundennummer und die Sperrung des Passworts eines Beteiligten, der bisher an der Datenübermittlung teilgenommen hat.
- Auch § 10 Abs. 2a EStG (seit 1.1.2019 § 10 Abs. 2b EStG) ordnet lediglich eine Mitteilungspflicht bestimmter Einrichtungen an, regelt aber keine Befugnis der ZfA, den Zugang zu Datenübermittlungen zu verweigern.
- § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 18 Satz 1 Buchst. a FVG beschreibt als Aufgaben des BZSt u.a. nur die Weiterleitung der Daten, die nach § 10 Abs. 2a EStG in den dort genannten Fällen zu übermitteln sind, zu dere...