Leitsatz
1. Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Art. 57 Abs. 5 Buchst. a VO Nr. 865/2006 i.d.F. nach der VO Nr. 2015/870 dahingehend auszulegen, dass einem Einführer, der eine Gesamtmenge von mehr als 125 g Kaviar von Störartigen (Acipenseriformes spp.) in einzeln gekennzeichneten Behältern mit sich führt und dafür weder ein (Wieder‐)Ausfuhrdokument noch eine Einfuhrgenehmigung vorlegt, eine Menge von bis zu 125 g Kaviar zu überlassen ist, sofern die Einfuhr keinem der in Art. 57 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 865/2006 genannten Zwecke dient?
2. Falls diese Frage zu bejahen ist:
Gehören zu den persönlichen Gegenständen und Haushaltsgegenständen i.S. des Art. 7 Nr. 3 VO Nr. 338/97 in das Zollgebiet der Union verbrachte Exemplare auch dann, wenn der Einführer im Zeitpunkt des Verbringens erklärt, diese nach der Einfuhr an andere Personen verschenken zu wollen?
Normenkette
Art. 7 Nr. 3 EGV 338/97, Art. 57 Abs. 5 Buchst. a EGV 865/2006, § 49, § 51 Abs. 2 BNatSchG
Sachverhalt
Im Dezember 2015 reiste die Klägerin über das Zollamt Flughafen des HZA in das Zollgebiet der Union ein und benutzte den grünen Ausgang "anmeldefreie Waren". Sie führte sechs Dosen Kaviar (schwarzer Beluga, lateinisch Huso Huso) zu je 50 g mit sich. Das HZA beschlagnahmte den Kaviar wegen fehlender Genehmigungen nach § 51 Abs. 2 BNatSchG.
Die daraufhin erhobene Klage hatte zum Teil Erfolg. Das FG urteilte, für die Einfuhr sei eine Einfuhrgenehmigung erforderlich, die bis jetzt nicht vorliege (FG Düsseldorf, Urteil vom 25.7.2017, 4 K 3551/16 Z, Haufe-Index 12977915). Dennoch habe die Klägerin zwei Dosen genehmigungsfrei einführen dürfen, weil sie diese nicht zu kommerziellen Zwecken verwenden, sondern an ihre Kinder habe verschenken bzw. selbst verbrauchen wollen. Die einschlägige VO Nr. 865/2006 enthalte eine Freimengenregelung. Es sei nicht gerechtfertigt, diese begrenzte Freimenge bei einer Überschreitung der Menge vollständig auszuschließen, wenn es nach den Umständen des Streitfalls keinen Anhaltspunkt für eine gewerbliche Einfuhr gebe. Die Beschlagnahme sei daher insofern rechtswidrig, als das Hauptzollamt der Klägerin nicht zwei Dosen Kaviar belassen habe.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision zugelassen und widersprach in seinem Vorlagebeschluss der Auffassung des FG, es handele sich um eine Freimenge mit der Folge, dass der Klägerin zwei Dosen Kaviar zu belassen seien. Zur Klärung der Frage, ob die einschlägige Verordnung eine Freimenge oder eine Freigrenze enthält, hat der BFH den EuGH angerufen. Geklärt werden soll auch, ob Geschenke zu den zollrechtlich begünstigten persönlichen Gegenständen zählen.
Hinweis
Es mag überraschen, dass sich der Zollsenat des BFH vereinzelt auch mit Fragen des Artenschutzes zu beschäftigen hat. Dies ergibt sich durch die Zuständigkeit der Zollbehörden nach § 49 BNatSchG. Die Zollbehörden wirken danach bei der Überwachung des Verbringens von Tieren und Pflanzen mit, die einer Ein- oder Ausfuhrregelung nach Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft unterliegen.
Nach der Geschäftsverteilung ist der Zollsenat u.a. zuständig für Verbote und Beschränkungen für den Warenverkehr. In der Praxis sind diesbezügliche Entscheidungen des BFH allerdings eher selten. Nach Elfenbein (BFH, Beschluss vom 5.7.2007, VII B 242/06, BFH/NV 2007, 2153) geht es im vorliegenden Fall um die Einfuhr von Kaviar.
Für die Einfuhr von Kaviar ist grundsätzlich eine Genehmigung erforderlich, weil Störe zu den besonders geschützten Arten gehören. Eine Ausnahme gilt dann, wenn es sich um die Einfuhr von persönlichen Gegenständen oder Haushaltsgegenständen handelt (Art. 7 Nr. 3 Satz 1 VO Nr. 338/97). Das wird angenommen bei Mengen bis zu 125 g pro Person (Art. 57 Abs. 3 Unterabs. 1 VO Nr. 865/2006). An dieser Menge entzündete sich der Streit, weil die Klägerin mehr als 125 g Kaviar einführen wollte (sechs Dosen mit je 50 g). Handelt es sich um eine Freimenge, durfte sie also 125 g (bzw. zwei Dosen mit je 50 g) Kaviar behalten? Oder handelt es sich um eine Freigrenze mit der Folge, dass bei einem Überschreiten die gesamte Menge Kaviar vom Zoll einbehalten werden durfte?
Der BFH hat zur Klärung dieser Frage den EuGH angerufen, neigt jedoch der zweiten Lösung zu. Er begründet dies insbesondere mit den Zielen der Artenschutzregelungen. Bei der Annahme einer Freimenge wäre auch bei geplanter deutlicher Überschreitung der Menge eine Teilmenge begünstigt. Eine Entscheidung des EuGH ist auch deshalb angezeigt, weil die Frage in den Mitgliedstaaten unterschiedlich beantwortet wird.
Ebenfalls geklärt werden soll die Frage, ob ein persönlicher Gegenstand auch vorliegt, wenn von vornherein klar ist, dass der Kaviar nicht für den eigenen Verbrauch, sondern (auch) als Geschenk eingeführt werden soll. Hier neigt der BFH der Ansicht zu, dass auch in diesem Fall ein persönlicher Gegenstand vorliege.
Ähnlich lag der Fall im Übrigen bei einem Verbringen von Tabakware aus einem Mitgliedstaat, den der BFH vor einigen Jahren zu entscheiden hatt...