Leitsatz
1. Die nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG setzt voraus, dass die übertragenen Vermögensgegenstände die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit ermöglichen. Eine Geschäftsveräußerung liegt auch dann vor, wenn der Erwerber den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb in seinem Zuschnitt ändert oder modernisiert.
2. Die Übertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen und die Möglichkeit zur Unternehmensfortführung ohne großen finanziellen Aufwand ist keine eigenständige Voraussetzung für die Nichtsteuerbarkeit, sondern im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen, aus der sich ergibt, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht (Fortführung von BFH vom 28.11.2002, V R 3/01, BStBl II 2004, 665, BFH-PR 2003, 149).
Normenkette
§ 1 Abs. 1a UStG 1993, Art. 5 Abs. 8 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (Klägerin) führte mit einem rechtlich unselbstständigen Institut -- z.T. privatrechtlich an Dritte, z.T. hoheitlich -- Untersuchungen durch. Sie verkaufte das Institut an die H-GmbH, die ihre Marktanteile auf dem Tätigkeitsfeld des Instituts erweitern wollte. Nicht übertragen, aber langfristig vermietet wurde das Institutsgrundstück. Arbeitsverhältnisse und sonstige Verträge wurden übernommen. Nicht übernommen wurde der Vertrag mit der L-GmbH (Tochtergesellschaft der Klägerin), die das für die Tätigkeit wesentliche Qualitätsmanagement durchgeführt hatte, weil der Erwerber bereits selbst über entsprechende personelle und sachliche Ausstattung verfügte.
Nach Auffassung des FA und des FG (EFG 2005, 643) stand dies der Anwendung des § 1 Abs. 1a UStG entgegen.
Entscheidung
Die Revision hatte Erfolg. Für unerheblich hielt der BFH, ob das Unternehmensvermögen der Körperschaft des öffentlichen Rechts vor der Übertragung -- neben der unternehmerischen Nutzung -- auch für hoheitliche Zwecke verwendet wurde. Im Hinblick auf die nach der EuGH-Rechtsprechung maßgebliche Erwerbersicht war -- entgegen der Auffassung des FA und des FG -- auch zu berücksichtigen, dass der Erwerber auf eigene Ressourcen zurückgreifen konnte und deshalb die Geschäftsbeziehung mit der L-GmbH nicht weitergeführt hat.
Hinweis
Gemeinschaftsrechtlich sind die Voraussetzungen der -- der Vereinfachung dienenden -- nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung geklärt. Es reicht auch die Übertragung eines selbstständigen Unternehmensteils. Maßgebend ist, ob die übertragenen Vermögensgegenstände ein hinreichendes Ganzes bilden, um die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit ohne großen finanziellen Aufwand zu ermöglichen. Nicht begünstigt ist die sofortige Abwicklung der übernommenen Geschäftstätigkeit. Unschädlich ist aber, wenn der Erwerber z.B. aus betriebswirtschaftlichen Gründen den Zuschnitt der Tätigkeit ändert oder modernisiert.
Die Wesentlichkeit einzelner Betriebsgrundlagen und die Möglichkeit zur Unternehmensfortführung ohne großen finanziellen Aufwand stellen in diesem Zusammenhang keine eigenständigen Voraussetzungen für die Nichtsteuerbarkeit dar. Im Rahmen der Gesamtwürdigung ist zu beurteilen, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht; dabei sind die Art der übertragenen Vermögensgegenstände und der Grad der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit zwischen den vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten zu berücksichtigen.
Die Annahme einer Geschäftsveräußerung kann nicht daran scheitern, dass der Erwerber z.B. andere Zulieferer als der Vorgänger in Anspruch nimmt. Auch reicht i.d.R. die langfristige Vermietung des Betriebsgrundstücks aus, wenn dadurch die Fortführung des Unternehmens(-teils) möglich ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.08.2007, V R 14/05