Leitsatz

Zur Vornahme der Überschussprognose bei den Einkünften aus einer fremdfinanzierten sofort beginnenden Leibrente.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 1 Satz 1 EStG , § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG , § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstb. a EStG

 

Sachverhalt

Die 1939 geborene Klägerin schloss im Jahr 1993 mit einem ausländischen Versicherungsunternehmen zwei Leibrentenverträge gegen Einmalbeiträge. Rentenberechtigte waren neben der Klägerin die 1938 geborene Frau R (Vertrag I) und die 1933 geborene Frau F (Vertrag II). Die Renten waren – sofort beginnend – halbjährlich in Brit. Pfund bis zum Tod des längstlebenden Rentenberechtigten zu zahlen.

Die Einmalbeiträge finanzierte die Klägerin in vollem Umfang durch zwei Bankdarlehen mit einem Effektivzins von 8,61 %, die mit jährlich 4,1 % zuzüglich ersparter Zinsen zurückzuzahlen waren. Zur Sicherung der Darlehen trat die Klägerin ihre Ansprüche aus den Rentenversicherungen sowie aus einer gleichzeitig abgeschlossenen Risiko-Lebensversicherung an die Bank ab. Für die Vermittlung des Vertragspakets hatte die Klägerin an den Konzeptanbieter ein Honorar i.H.v. rd. 8 % der Darlehen zu zahlen.

In ihren Einkommensteuererklärungen für 1993 und 1994 machte die Klägerin Werbungskostenüberschüsse bei ihren Renteneinkünften geltend. Das Finanzamt erkannte diese mangels Überschusserzielungsabsicht nicht an. Das FG gab der dagegen erhobenen Klage statt (vgl. EFG 2001, 1127). Die Revision des Finanzamts hatte zum Teil Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH wies zunächst darauf hin, dass die Einkünfteerzielungsabsicht für jede Einkunftsquelle, also für jede einzelne Leibrente, gesondert festzustellen sei. Der Zeitraum, für den die Überschussprognose vorzunehmen sei, entspreche bei den Einkünften aus Leibrenten im Regelfall der Gesamtdauer der Vermögensnutzung. Einzubeziehen seien allein die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkennbaren Verhältnisse, weil sich der Rentenberechtigte bereits in diesem Zeitpunkt endgültig gebunden habe (BFH, Urteil vom 15.12.1999, X R 23/95, BStBl II 2000, 267). Maßgebend für die Bestimmung der voraussichtlichen Rentenlaufzeit sei die neueste, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses verfügbare Sterbetafel, wobei auch eine "abgekürzte Sterbetafel" genüge.

 

Hinweis

Das Urteil legt detailliert und ausführlich dar, nach welchen Grundsätzen und Maßstäben die zwecks Ermittlung der erforderlichen Überschusserzielungsabsicht anzustellende Prognose der (mit Wahrscheinlichkeit) zu erwartenden (mit dem Ertragsanteil) steuerpflichtigen Renteneinnahmen und Werbungskosten vorzunehmen ist.

Eine Besonderheit des Streitfalls bestand darin, dass die in ausländischer Währung (hier: Britischen Pfund) zu leistenden Rentenzahlungen zur notwendigen Umrechnung in DM eine Prognose der künftigen Devisenkurse erforderten. Mit diesem Problem hatte sich der BFH bereits in seinen Urteilen vom 15.12.1999, X R 23/95, BStBl II 2000, 267 und vom 9.5.2000, VIII R 77/97, BStBl II 2000, 660 zu befassen. Dort ging der BFH davon aus, dass für die Prognose entweder der Durchschnittskurs der ausländischen Währung in den letzten zehn Jahren oder im letzten Jahr vor dem Vertragsschluss anzusetzen sei. Im Streitfall konnte der BFH offen lassen, welche dieser Alternativen maßgebend sei. M.E. sollte dem Steuerpflichtigen in diesem Zusammenhang – im Hinblick auf die mit jeder Voraussage der künftigen Devisenkursentwicklung verbundenen erheblichen Unsicherheiten – gestattet werden, der Überschussprognose den jeweils für ihn günstigeren Devisenkurs zugrunde zu legen.

Was die Berücksichtigung des von der Klägerin an den Konzeptanbieter gezahlten Honorars als Werbungskosten im Rahmen der Überschussprognose anbelangt (zur gebotenen Aufteilung dieser Provision in ein auf die Kreditvermittlung entfallendes und damit als Werbungskosten abziehbares Entgelt und in ein als nichtabziehbare Anschaffungsnebenkosten für das Rentenrecht zu qualifizierendes Entgelt vgl. ausführlich BFH, Urteil vom 16.9.2004, X R 19/03, BFH-PR 2005, 59), stellt das Besprechungsurteil klar, dass höchstens 2 % der Refinanzierungsdarlehen als Kreditvermittlungskosten (= Werbungskosten) anzusetzen sind.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 16.9.2004, X R 25/01

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