Um möglichst effektiv und gleichzeitig auch effizient das Entscheiden zu organisieren, sollte dafür ein Prozess mit zwingend abzuarbeitenden Schritten festgelegt werden (siehe Abb. 5).
Im Projekt zur Entscheidungsprofessionalisierung (Abb. 1) befinden wir uns weiterhin in der Konzeptionsphase. Schritt für Schritt gehen wir nun diese Liste durch, auch wenn manche der Themen bereits im vorhergehenden Text intensiv besprochen wurden.
Abb. 5: Der Entscheidungsprozess in 10 Schritten
6.1 Schritt 1: Entscheidungssituation bewusst machen und formulieren
Beim Lesen dieses ersten Schritts denken Sie sich vielleicht, dass das doch eine Selbstverständlichkeit ist und hier nicht erwähnt werden müsste. Es ist auch tatsächlich sehr oft so, dass die Entscheidungssituation offensichtlich ist, aber nicht immer. Kommen wir zur zuvor besprochenen Personalentscheidung zurück. Befindet man sich im Auswahlprozess, ist einem die Entscheidungssituation natürlich bewusst. Ist jedoch eine Position mit einer Person besetzt, die nicht wirklich passend ist, dauert es manchmal sehr lange bis die Frage gestellt wird, ob die Person in dieser Position ersetzt werden soll. Obwohl diese Entscheidungssituation vielleicht schon über viele Monate präsent ist, wird diese nicht bewusst formuliert. Dem Vorgesetzten ist zwar unbewusst oder vielleicht sogar auch bewusst die Entscheidungssituation klar, er formuliert diese aber nicht. Die Unannehmlichkeiten und Probleme der nicht zufriedenstellenden Aufgabenerfüllung der Person wird dann eher in Kauf genommen als die Unannehmlichkeit, jemanden kündigen oder versetzen und wieder jemand Neues suchen zu müssen.
Jetzt stellt sich die Frage, was kann gemacht werden, damit eine solche Entscheidungssituation schneller bewusst behandelt wird. Eine Möglichkeit ist, in einem regelmäßig stattfindenden Personalentwicklungsgespräch verpflichtend die Aufgaben und die dafür benötigten Fähigkeiten in einem Fähigkeitsprofil darzustellen. Eine regelmäßige Einschätzung, ob die Person diese benötigten Fähigkeiten (seien es soziale oder fachliche) erfüllt, bzw. in angemessener Zeit dorthin gebracht werden kann, müsste zwingend im Prozess vorgesehen sein. Bei Unterschreiten gewisser Anforderungen muss dann verpflichtend gehandelt werden. Der Prozess nimmt der Führungsperson die Unannehmlichkeit der Transparentmachung der Entscheidungssituation ab, dadurch kann bewirkt werden, dass schneller die Entscheidungssituation bewusst formuliert wird ("Ich kann da leider nicht anders, der Prozess sieht das so vor").
So wie hier für den Prozess von Personalentscheidung beschrieben, können Systeme für viele (unangenehme) Situationen festgelegt werden. Z. B. bei Unterschreiten welcher Grenze muss bewusst diskutiert werden, ob man sich aus einem Markt zurückzieht oder ein Produkt vom Markt genommen wird oder ein schlecht ausgelastetes Werk geschlossen wird oder ein erfolgloses Projekt abgebrochen wird.
6.2 Schritt 2: Entscheidungsprozedere sowie Beteiligte und Verantwortlichkeiten festlegen
In Unternehmen sind laufend sehr viele Entscheidungen zu treffen, es wäre in der Praxis viel zu aufwendig jeweils diese 10 Schritte von Null auf zu durchlaufen. Die meisten Arten von Entscheidungen wiederholen sich, das Entscheidungsprozedere muss nur einmal festgelegt werden und kann dann danach abgearbeitet werden. Zu klären, wer an der Entscheidungsfindung in welcher Form beteiligt sein soll, ist ein bedeutender Erfolgsfaktor. Viele Alltagsentscheidungen werden sinnvollerweise von einer Person allein geklärt (z. B. eine Verkaufsentscheidung), eine Reihe anderer Entscheidungen sollten nur im 4-Augenprinzip (z. B. eine Personalentscheidung) oder wieder andere sollten besser in Entscheidungsgremien – einem Decision Board oder einem Steering Committee – getroffen werden (z. B. strategische Entscheidungen). Im Kapitel 4 und 5 auf den vorherigen Seiten wurden die Kategorisierung und die Verantwortlichkeit bereits intensiv besprochen.
Bei bedeutenden Entscheidungen ist zusätzlich im Prozess vorzusehen, dass eine Entscheidungsvorlage verwendet und die Entscheidungsfindung dokumentiert wird. Vor allem wenn es sich um "unternehmerische Entscheidungen im Sinne von § 93 AktG“ handelt, denn dann ist damit die gesetzlich vorgeschriebene Sorgfaltspflicht zu erfüllen.
6.3 Schritt 3: Einigkeit über das Ziel und Erfolgsmaß herstellen
Eine gemeinsame Vorstellung darüber herzustellen, welches Ziel mit der zu treffenden Entscheidung erreicht werden soll, ist vermutlich der wichtigste Aspekt bei der Entscheidungsfindung. Oft wird einfach davon ausgegangen, dass alle das gleiche Ziel verfolgen, ohne darüber zu sprechen oder es zu verschriftlichen. Veranschaulichen wir an einem Beispiel, wie unterschiedlich die Sichtweisen sein können. Betrachten wir noch einmal das Beispiel mit der Entscheidungssituation, ob man sich von einem Markt zurückziehen möchte. Primäres Ziel scheint zu sein, in dem Land einen Deckungsbeitrag zu erwirtschaften. Neben der Diskussion darüber, wie man den Deckungsbeitrag genau errechnet, stellen sich noch andere Fragen. Wie hoch muss der D...