Leitsatz

Die Ablehnung eines Antrags auf Erlass eines Steuerbescheids unter Vorläufigkeitsanordnung löst stets eine formelle Beschwer aus. Werden Vergütungen eines Gesellschaftergeschäftsführers nachträglich als vGA statt als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit qualifiziert, kommt es unter der Geltung des Halbeinkünfteverfahrens aus verfahrensrechtlichen Gründen zu einer Überbesteuerung, soweit die Veranlagung des Gesellschaftergeschäftsführers bestandskräftig ist. Bei der Ermessensentscheidung über einen Antrag auf vorläufige Festsetzung der Einkommensteuer ist das Interesse des Gesellschaftergeschäftsführers an der Vermeidung einer solchen Überbesteuerung zu berücksichtigen.

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Gesellschafter und Vorstand einer Kapitalgesellschaft. Der Beklagte setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr nach den erklärten Besteuerungsgrundlagen fest. Der Kläger erhob vorsorglich Einspruch, um im Falle nachträglich aufgedeckter vGA zu verhindern, dass seine Einkommensteuerfestsetzung bestandskräftig wird. Der Kläger beantragte das Ruhen des Einspruchsverfahrens oder eine Abhilfe durch vorläufige Steuerfestsetzung. Der Beklagte verwarf in seiner Einspruchsentscheidung den Einspruch mangels Beschwer als unzulässig. Der Kläger verfolgte im anschließenden Klageverfahren sein Begehren zunächst weiter. Nach einer durchgeführten Außenprüfung bei der Kapitalgesellschaft, die zu keiner Umqualifizierung von Tätigkeitsvergütungen in eine vGA führte, stellte der Kläger sein Begehren um. Er beantragte nunmehr festzustellen, dass die Vorgehensweise des Beklagten rechtswidrig gewesen und dieser zum Erlass eines vorläufigen Steuerbescheids verpflichtet war.

 

Entscheidung

Die zunächst als Verpflichtungsklage erhobene, dann als Fortsetzungsfeststellungsklage weitergeführte Klage hatte teilweise Erfolg. Die Ablehnung eines Antrags auf Erlass einer mit einer Vorläufigkeitsanordnung verbundenen Steuerfestsetzung löse stets eine zumindest formelle Beschwer aus. Der Übergang zur Fortsetzungsfeststellungsklage erfordere ein berechtigtes Interesse, das bei Wiederholungsgefahr gegeben sei. Die Fortsetzungsfeststellungsklage war begründet, soweit der Kläger die Feststellung begehrte, dass die Ablehnung des Erlasses eines hinsichtlich der dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden Einkünfte vorläufigen Einkommensteuerbescheids rechtswidrig gewesen war. Sie war unbegründet, soweit der Kläger die weitergehende Feststellung begehrte, dass der Beklagte verpflichtet gewesen war, einen vorläufigen Steuerbescheid zu erlassen. Die Ablehnung der Erteilung des mit Vorläufigkeitsanordnung versehenen Bescheids sei rechtswidrig gewesen, weil der Beklagte für das Ausüben des Ermessens wesentliche Gesichtspunkte - insbesondere das berechtigte Interesse des Klägers - teils unzutreffend eingeschätzt, teils nicht berücksichtigt habe. Das Rechtsfolgeermessen des Beklagten sei nicht nur auf eine rechtmäßige Alternative eingeengt gewesen, so dass der weitergehende Antrag mangels Spruchreife unbegründet sei.

 

Hinweis

Einen Anspruch auf Erteilung einer vorläufigen Steuerfestsetzung besteht nach Ansicht des erkennenden Senats also nicht. Der Steuerpflichtige hat lediglich einen Anspruch auf ermessenfehlerfreie Entscheidung der Behörde unter Berücksichtigung und Abwägung seiner berechtigten Interessen an einer vorläufigen Steuerfestsetzung. Eine Ermessensreduzierung auf Null, so dass alleine nur noch die Gewährung einer vorläufigen Steuerfestsetzung ermessensgerecht ist, hat der erkennende Senat gerade nicht erkannt. Das Finanzamt kann also in gleichgelagerten Fällen durchaus ermessensgerecht zu einer Ablehnung des Antrags auf Erlass einer Steuerfestsetzung unter Vorläufigkeitsvermerk gelangen. Der Antrag auf vorläufige Steuerfestsetzung ist gleichwohl das verfahrensrechtliche Instrument, um eine Überbesteuerung infolge drohender nachträglich aufgedeckter vGA zu verhindern.

 

Link zur Entscheidung

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.12.2004, 3 K 61/03

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