Leitsatz
1. Der nachträgliche Verzicht auf die Steuerfreiheit einer Grundstückslieferung ist kein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 233a Abs. 2 a AO.
2. Der Lauf der Zinsen für die Umsatzsteuer wegen der rückwirkend steuerpflichtigen Grundstückslieferung beginnt nach § 233a Abs. 2 Satz 1 AO 1977.
Normenkette
§ 233a AO , § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG , § 9 Abs. 1 UStG
Sachverhalt
Der Kläger hatte während einer Betriebsprüfung (1996) auf die Steuerfreiheit für eine 1993 ausgeführte Grundstückslieferung verzichtet und erteilte dem Grundstückskäufer im September 1996 eine Rechnung mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer. Der Grundstückskäufer trat dem Kläger die negative Steuer aus der Voranmeldung für September ab; der Kläger meldete die Steuer in seiner Umsatzsteuervoranmeldung beim FA an und rechnete mit dem abgetretenen Anspruch gegen seine Umsatzsteuerschuld aus der Grundstückslieferung auf.
Das FA setzte im Änderungsbescheid für 1993 die Umsatzsteuer einschließlich der Steuer für die erwähnte Grundstückslieferung fest; dementsprechend setzte es auch Nachzahlungszinsen fest; der nachträgliche Verzicht auf die Steuerbefreiung der Lieferung sei kein rückwirkendes Ereignis.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des Klägers ab. Beachten Sie: Vor einer nachträglichen Option zur Umsatzsteuer oder einem Widerruf des Verzichts ist zunächst zu prüfen, ob überhaupt – wegen der Bestandskraft! – noch wirksam verzichtet werden kann; ist das nicht der Fall, nützt auch der abgetretene Vorsteueranspruch nichts. Auch wenn der Verzicht oder dessen Widerruf noch möglich ist: Bedenken Sie auch die Folgerungen in Bezug auf mögliche Nachzahlungszinsen!
Hinweis
Es ging eigentlich um Nachzahlungszinsen:
Für den Beginn des Zinslaufs ist grundsätzlich maßgebend
- der Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233a Abs. 2 Satz 1 AO).
- Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO) beruht, ist maßgebend der Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist.
Grund für die Regelung: Es soll eine Verzinsung der rückwirkend entstehenden Steuerschuld bei Eintritt eines steuererhöhenden rückwirkenden Ereignisses nicht stattfinden, wenn der Steuerpflichtige bis zum Eintritt des rückwirkenden Ereignisses keine Zins- oder Liquiditätsvorteile ziehen kann.
Keine rückwirkenden Ereignisse sind nach der Rechtsprechung:
- die Ausgabe einer Rechnung mit Umsatzsteuer
- die Änderung durchgeführter zivilrechtlicher Vereinbarungen
die Ausübung eines Wahlrechts – wie der Verzicht auf die Steuerbefreiung der Grundstückslieferung (§ 4 Nr. 9 Buchst. a, § 9 Abs. 1 UStG) oder der Widerruf des Verzichts –, wenn dieses nur zeitlich begrenzt bis zur Bestandskraft (oder Änderbarkeit nach § 164 Abs. 2 AO) der Steuerfestsetzung des Lieferers oder des Abnehmers ausgeübt werden darf. Denn andernfalls würden die zeitlichen Grenzen für die Ausübung des Wahlrechts durchbrochen und Rechtsfolgen ausgelöst, die das Gesetz nur innerhalb der bezeichneten Grenzen – bis zur Bestandskraft des Bescheids – (rückwirkend) eintreten lassen will.
Kein Argument in diesem Zusammenhang sind die Vor- und Nachteile, die sich für den Veräußerer und/oder Erwerber durch die Option oder den nachträglichen Verzicht hierauf in Bezug auf die Vorsteuer ergeben. Das hat der BFH schon im Urteil vom 1.2.2001, V R 23/00 (BFH-PR 2001, 226) entschieden; das müssen die Beteiligten des Kaufvertrags unter sich ausmachen und für sich abwägen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 28.11.2002, V R 54/00