Leitsatz
1. Im Insolvenzverfahren einer KG, die ihre Tätigkeit bereits vor Insolvenzeröffnung eingestellt hatte, ist über den Vorsteuerabzug aus der Rechnung des Insolvenzverwalters nach der früheren Unternehmenstätigkeit der KG zu entscheiden.
2. Der Insolvenzverwalter hat seine Leistung erst mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens erbracht. Ein Vorsteuerabzug bereits im Insolvenzverfahren kommt daher nur nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 UStG in Betracht.
Normenkette
§ 15 UStG, § 200 InsO
Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter in einem im Jahr 2003 eröffneten Insolvenzverfahren einer KG. Die KG erbrachte seit 1996 ausschließlich steuerpflichtige Leistungen und hatte ihre unternehmerische Tätigkeit bereits vor Insolvenzeröffnung eingestellt. Der Insolvenzverwalter rechnete im Insolvenzverfahren seine Verwaltungsleistung gegenüber der Masse ab und machte für die Masse den Vorsteuerabzug aus der Rechnung im vollen Umfang geltend. Demgegenüber ging das Finanzamt von einem nur anteiligen Vorsteuerabzug aus, da im Insolvenzverfahren Unternehmensvermögen der KG teilweise auch steuerfrei veräußert worden war. Das Finanzgericht (FG Köln, Urteil vom 29.1.2015, 7 K 25/13, Haufe-Index 8029449, EFG 2015, 1397) gab der Klage statt.
Entscheidung
Der BFH hob die Entscheidung des FG auf und verwies die Sache an das FG zurück. Zwar sei das FG materiell-rechtlich zutreffend von einem vollen Recht der Masse auf Vorsteuerabzug ausgegangen, da die im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen ausschließlich mit der steuerpflichtigen Unternehmenstätigkeit der KG zusammenhingen und nicht auf die Verwertungsumsätze im Verfahren abzustellen sei. Das FG habe aber nicht hinreichend berücksichtigt, dass die im Insolvenzverfahren erteilte Rechnung des Insolvenzverwalters eine Vorausrechnung sei, die erst aufgrund einer zusätzlichen Zahlung zum Vorsteuerabzug berechtige. Hierzu seien ergänzende Feststellungen zu treffen.
Hinweis
1. Für den Vorsteuerabzug nach § 15 UStG kommt es auf den direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung an. Beim Vorsteuerabzug aus der Leistung eines Insolvenzverwalters im eröffneten Insolvenzverfahren ist zu berücksichtigen, dass der Insolvenzverwalter umsatzsteuerrechtlich eine einheitliche Leistung erbringt, die mittels Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse des Gemeinschuldners (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) der Befriedigung der Insolvenzgläubiger als Hauptziel des Insolvenzverfahrens (vgl. § 1 InsO) dient.
Der für den Vorsteuerabzug maßgebliche direkte und unmittelbare Zusammenhang besteht dabei zwischen der einheitlichen Leistung des Insolvenzverwalters und den im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen der Insolvenzgläubiger. Auf die einzelnen Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters kommt es nicht an, wie der BFH bereits entschieden hatte (BFH, Urteil vom 15.4.2015, V R 44/14, BFH/NV 2015, 1066, BStBl II 2015, 679).
Werden im Insolvenzverfahren einer unternehmerisch tätigen KG mit steuerpflichtigen Umsätzen nur unternehmensbezogene Verbindlichkeiten als Insolvenzforderung geltend gemacht, berechtigt daher auch die vom Insolvenzverwalter bezogene Verwaltungsleistung in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug. Dies gilt zumindest dann, wenn die KG bereits vor Insolvenzeröffnung ihr Unternehmen eingestellt hatte. Ob ebenso für den Fall einer Unternehmensfortführung durch den Insolvenzverwalter zu entscheiden ist, lässt der BFH weiter offen. In Betracht käme hier auch, auf die Umsätze des fortgeführten Unternehmens abzustellen.
2. Besonderheiten beim Vorsteuerabzug aus der Rechnung des Insolvenzverwalters bestehen in Bezug auf den Zeitpunkt, zu dem das Recht auf Vorsteuerabzug in Anspruch genommen werden kann.
a) Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG muss entweder für eine bereits ausgeführte Leistung eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegen oder aber eine Zahlung auf eine Vorausrechnung geleistet sein.
b) Der BFH geht davon aus, dass der Insolvenzverwalter seine einheitliche Verwaltungsleistung erst erbracht hat, wenn das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach § 200 Abs. 1 InsO beschließt, soweit keine anderen Beendigungsgründe vorliegen. Erst mit diesem Beschluss endet das Amt des Insolvenzverwalters.
c) Somit ist die vom Insolvenzverwalter an die Masse im Verfahren erteilte Rechnung keine Rechnung über eine bereits vollständig ausgeführte Leistung, sondern eine Rechnung über eine erst noch zu erbringende Leistung. Der Vorsteuerabzug setzt dann gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 UStG neben dem Vorliegen einer ordnungsgemäßen Rechnung auch eine Zahlung aus der Masse an den Insolvenzverwalter voraus.
d) Dabei wird die Ordnungsmäßigkeit der Vorausrechnung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 2 UStG) nicht dadurch infrage gestellt, dass die Rechnung keine Angaben zum Leistungszeitpunkt und damit zum Beschluss über die Aufhebung des Verfahrens enthält.
Denn bei Voraus- und Anzahlungsrechnungen wird gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 und Abs. 5 Satz ...